Am 15. April hatte Maximilian von Mayenburgs Inszenierung von Wagners "Tannhäuser" am Deutschen Nationatheater Weimar Premiere. Außer einigen Absurditäten hatte die Regie jedoch wenig Einfälle zu bieten, und auch auf musikalischer Seite blieben allzu viele Wünsche offen.
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In Woody Allens legendärer Aufklärungs-Satire "Was Sie schon immer über Sex wissen wollten (aber bisher nicht zu fragen wagten)" haben ja bekanntlich schon die Spermien Zukunftsängste. Wer den "Tannhäuser" am Nationaltheater Weimar gesehen hat, weiß auch, warum. Alles, was da draußen passiert, ist fürchterlich - und das fängt schon mit den unheimlichen Eizellen an. Danach kommt ein freudloses Leben in schwarzweiß und wer Glück hat, wird am Ende von einem guten Freund erdrosselt.
So jedenfalls das Regiekonzept des in München geborenen Regisseurs Maximilian von Mayenburg. Tatsächlich orientierte er sich gemeinsam mit seinem Ausstatter Stephan Prattes optisch an Woody Allens Film aus dem Jahr 1972 - womöglich ist das aber auch eine ungewollte Assoziation. In der riesigen, blutroten Gebärmutter von Venus stapeln sich die Eizellen, aus denen sich allmählich Menschen schälen. Erschöpft kriechen sie unter das ausladende Kleid der Liebesgöttin. Die ruht auf üppigen Rosen, die fatal an Darmzotten erinnern.
Szenenbild aus Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg - Corby Welch (Tannhäuser), Sayaka Shigeshima (Venus) - am Nationaltheater Weimar | Bildquelle: © Candy Welz
Tannhäuser ist es bei dieser Ur-Mutter zu langweilig, er wirft sich flugs einen Kittel über und will anscheinend als Mediziner die Welt erkunden - dazu passte die klinisch-weiße, aseptische Folie, mit der der gesamte Bühnenraum ausgekleidet war. Doch er ist ein Arzt, dem die Frauen misstrauen, und nicht nur sie. Am faschistischen Hof des thüringischen Landgrafen Hermann fristet die Klavierschülerin Elisabeth wie alle anderen ein schauriges und vor allem streng uniformes Dasein - so schaurig, dass der Konzertflügel beim Sänger-Wettstreit in die Brüche geht. In der Tat ein unterhaltsamer und witziger Slapstick. Alles andere freilich wirkte dermaßen absurd und einfallslos, dass der durchaus freundliche Applaus des Publikums sehr verwunderte.
Kein anderer als Wolfram von Eschenbach - ausgerechnet dieser schwermütige, lethargische Held - legt Tannhäuser am Ende die Schlinge um den Hals. Das Leben als solches pessimistisch oder auch nihilistisch zu deuten, sich also an Wagners Haus- und Hofphilosophen Schopenhauer zu orientieren, mag noch plausibel sein. Doch Maxmilian von Mayenburg ist augenscheinlich auch der Ansicht, dass die Sexualität noch so unterdrückt wird wie in den siebziger Jahren. Den Gegensatz von triebgesteuerter Venus und spirituell beseelter Elisabeth hätte er jedoch sehr viel aktueller bebildern und interpretieren müssen als im Woody-Allen-Look.
Problematisch war bei diesem "Tannhäuser" leider auch das Dirigat des ukrainischen Generalmusikdirektors Kirill Karabits. "Viel hilft viel" ist bei Wagner eben nicht immer die richtige Gangart: Die Staatskapelle Weimar war viel zu laut und zu kurzatmig. Ruppig und äußert scharfkantig donnerte das Blech, das Tempo wurde zunehmend langsamer, so dass die Sänger immer wieder gezwungen waren, ein paar Buchstaben mehr in ihre Texte einzufügen. Der ungünstig aufgestellte Chor war entweder hochnervös oder hatte sehr schlecht geprobt, es ging anfangs drunter und drüber.
Der amerikanische Tenor Corby Welch als Gast in der Titelrolle war immerhin stimmlich so ausgewogen, konditionsstark und authentisch wie Bariton Uwe Schenker-Primus als Wolfram von Eschenbach. Auch die Japanerin Sayaka Shigeshima als Venus überzeugte mit ihrer kultivierten, trotz dieser heiklen und leicht hysterischen Partie nie schrillen Stimme. Eine Enttäuschung war dagegen die Brasilianerin Camila Ribero-Souza als Elisabeth. Ihr fehlte Charisma, eine warmherzige Ausstrahlung - sie klang grell statt anrührend. Auch Daeyoung Kim als Landgraf tat sich schwer, Format zu zeigen. Durch das Regiekonzept wurden die hochromantischen Wagner-Figuren allesamt zu drögen, unbeteiligten Thesen-Trägern, zu recht abstrakten Sinnbildern des Scheiterns.
Genau das ist ja in der tragischen Kunstform Oper häufig Thema, glücklich werden die Leute ja nur in der Operette, allerdings ist das Scheitern nur fesselnd, wenn die Darsteller eine Wahl haben, wenn sie entscheiden können, kurz, wenn ihr Leben prinzipiell offen ist und das Publikum mitfiebern kann. Als Grundsatzkritik an jeder Art von Befruchtung, an jeder Art von Dasein, wirkte der Weimarer "Tannhäuser" nicht ironisch, wie es sicher beabsichtigt war, auch nicht existentialistisch düster, sondern bemüht, vorhersehbar, langweilig.
Regie: Maximilian von Mayenburg
Musikalische Leitung: Kirill Karabits
Informationen zu Terminen und Vorverkauf finden Sie auf der Homepage des Theaters.
Sendung: "Allegro" am 16. April 2018, 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK