Ursula Jones, geboren 1932 in Luzern, hat viel bewirkt in der klassischen Musikwelt. Schon in ihrem Elternhaus trifft sich die Musikelite: Furtwängler, Karajan, Rubinstein, Hindemith und Strauss. Als junge Frau geht sie 1954 auf Einladung des Musikproduzenten Walter Legge als Sekretärin des Philharmonia Orchestra nach London - und bleibt! Sie gründet das English Chamber Orchestra, managt das Brass Ensemble ihres Mannes Philip Jones und fördert den Musiknachwuchs, bis heute. Daniel Barenboim, Pinchas Zukerman, Jacqueline du Pré und vielen anderen verhalf die große Vermittlerin zu Weltruhm.
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1965 gab sie Daniel Barenboim die Chance, erstmals ein Orchester zu dirigieren - ihr English Chamber Orchestra: "Ich kannte Daniel als Bub, weil er nach Luzern kam", erinnert sich Ursula Jones. "Wir haben ihn wohlgekannt als Wunderkind auf dem Klavier, und wenn er in London war, hat er mich angerufen und gesagt: Du, ich möchte so gerne Dein Orchester nicht nur spielen, sondern auch dirigieren. Damals war er etwa zwanzig. Ich werde nie vergessen, es war die Extraprobe am Tag vorher und es war einfach eine Offenbarung: Er konnte dirigieren und spielen!" Eine mutige Entscheidung, den jungen Künstler Barenboim in Doppelfunktion als Pianist und Dirigent zu engagieren. Daniel Barenboim dankt es Ursula Jones im Vorwort des Buches.
Auf dem Gipfel ihres Erfolgs beginnt Ursula Jones ein Archäologiestudium und promoviert mit 60 Jahren. Und sie mischt zusammen mit ihrem Ehemann, dem Trompeter Philip Jones, die Welt der Blechbläser auf. Sorgt dafür, dass das Philip Jones Brass Ensemble Kammermusik spielt, Arrangements und moderne Auftragswerke und so das Bläserrepertoire erweitert. Bis heute kämpft Ursula Jones mit Stipendien und Wettbewerben für die Blechbläser. Sie engagiert sich im Stiftungsrat der "Streetwise Opera London" für Obdachlose, fördert die "Debüt"-Reihe beim Lucerne Festival und den Musiknachwuchs, wo sie nur kann: Sol Gabetta, Alison Balsom, Ksenija Siderova oder der Gitarrist Miloš Karadaglić waren einst ihre Schützlinge.
"Die tausend Leben der Ursula Jones" - in diesem Buch erfährt man auf knapp 200 Seiten eine ganze Menge von ihrem Leben für die Musik zwischen London und Luzern. Und von der 85-jährigen begnadeten Netzwerkerin selbst, die noch immer offen und neugierig entdeckt, vermittelt, initiiert: "Ich möchte so lange als möglich weiterhelfen. Junge Musiker brauchen Hilfe mit Kontakten und mit Organisieren bis sie das selber machen können. Ich hoffe, dass es weitergeht."
Heinz Stalder
Die tausend Leben der Ursula Jones
Zwischen Luzern und London, Musik und Archäologie
208 Seiten, 39 Abbildungen
Preis: 44,00 Euro
erschienen bei NZZ Libro
Sendung: "Allegro" am 10. Oktober 2017, 06.05 Uhr auf BR-KLASSIK