Einen bedeutendes Jubiläum feiert die Operettenwelt dieses Jahr: den 150. Geburtstag von Franz Lehár – am 30. April. Pünktlich dazu erscheint ein neues Buch über den großen Komponisten. Darin wird nicht der aktuelle Stand der Forschung abgebildet, sondern der "Kosmos Lehár" von verschiedenen Seiten beleuchtet.
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Wie muss sich Franz Lehár gefühlt haben, als er auf dem Balkon seiner Villa in Bad Ischl saß, eine Melange trank und seinen Blick über die Traun und die umliegenden Berge schweifen ließ. Immerhin stammte er aus bescheidenen Verhältnissen. Ein Foto von dieser Szene ist in dem neuen Sammelband "Dein ist mein ganzes Herz" abgedruckt. Noch schöner hatte es da eigentlich nur der Kaiser. Wenn man den prächtigen Biedermeierbau am lieblichen Flüsschen betrachtet, wird eines deutlich: Lehárs außergewöhnlicher Stellenwert in der silbernen Operettenära. Er hatte die 68.000 Kronen für das Haus einst bar bezahlt.
Zahlreiche Anekdoten über Leben und Werk des Komponisten finden wir in diesem "Franz-Lehár-Lesebuch", so der Untertitel. Auch unbekanntere Werke werden beachtet, wie zum Beispiel Lehárs "italienische" Operette: La danza delle libellule. In einem der Aufsätze entkräftet Wolfgang Dosch den mitunter gegen Lehár erhobenen Vorwurf, ein Sympathisant der Nazis gewesen zu sein. Dafür lässt er jüdische Fürsprecher wie Hubert Marischkas Sohn Franz zu Wort kommen. Und er erzählt die komplizierte Geschichte der "Arisierung" von Lehárs "Der Rastelbinder", einer frühen "jüdisch" geprägten Operette: "Der Meister stand Bearbeitungen seiner Werke grundsätzlich ablehnend gegenüber, wusste aber sehr wohl, dass er, vor allem in Anbetracht seiner jüdischen Gattin, vom Wohlwollen der politischen Machthaber abhängig war."
Erfreulich auch: Viele jüdische Lehár-Librettisten werden in diesem Lesebuch gewürdigt. Man erfährt etwa von dem damals viel gebuchten Duo Leo Stein und Béla Jenbach, die "eine regelrechte 'Operettenlibrettofirma' betrieben". Heide Stockinger berichtet in einem spannenden Aufsatz vom großen Einsatz der Librettisten Fritz Löhner-Beda und Ludwig Herzer für die Operette "Friederike". Es war nicht leicht, Goethes Liebesleben in eine bühnenwirksame Fassung zu bringen. Dazu nahmen sie sich auch die Freiheit heraus, die "Wahrheit" ein wenig "anzupassen": "Weder hat Friederike auf ihren Goethe verzichtet, um ihm nicht seine Karriere zu verbauen, noch hat Goethe bei der Tanzveranstaltung in Straßburg Ringe für sich und Friederike bereit. Unterwerfung der Protagonistinnen unter männliche Lebensentwürfe, wie in der 'Friederike' müssen als Dokument der Zeit begriffen werden, was weiblichen Operettenfreunden heutzutage mitunter schwerfällt", schreibt Heide Stockinger.
Was wäre aus dem 'Meister' geworden, hätte es 'den Tauber' nicht gegeben?
Das Lehár-Lesebuch will nicht den Stand der Lehár-Forschung abbilden, seine Zielgruppe sind musiktheaterinteressierte Menschen, die eintauchen wollen in den "bezaubernden Lehár-Kosmos" – so das Geleitwort. Wir finden historische Fotografien, Karikaturen, eine umfangreiche biographische Übersicht.
"Dein ist mein ganzes Herz" ist ein Buch zum Durchblättern oder Schmökern. Weniger für Leser, die Lehár noch gar nicht kennen, eher was für Fans.
"Dein ist mein ganzes Herz"
Ein Franz-Lehár-Lesebuch
Herausgeber: Kai-Uwe Garrels, Heide Stockinger
Böhlau Verlag
232 Seiten
Mit zahlreichen schwarzweißen Abbildungen
Preis: 23,00 Euro
Sendung: "Allegro" am 27. März 2020 ab 6.05 Uhr auf BR-KLASSIK