Philippe Jordan, der neue Musikdirektor der Wiener Staatsoper, ist einer der gefragtesten Dirigenten seiner Generation. Er arbeitet an den bedeutendsten Opernhäusern, bei den wichtigsten Festspielen und in den berühmtesten Konzertsälen der Welt. Sein Werdegang liest sich, mit anderen Worten, wie eine einzige Erfolgsgeschichte. Passend zum Saisonauftakt und seinem Amtsantritt hat er jetzt ein Buch herausgebracht, in dem er allerdings nicht nur von den Sonnenseiten seiner Karriere berichtet.
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"Wenn ich die Musik nicht hätte, wäre ich vielleicht nicht verloren, aber ich hätte keinen Boden unter den Füßen und müsste sehr mühsam andere Wege gehen, um meinen Platz zu finden. Ein Leben ohne Musik kann ich mir nicht vorstellen." Das sagt der Dirigent Philippe Jordan. Als Sohn des Dirigenten Armin Jordan seit Kindertagen von Musik umgeben, hat er den berühmten und weitgehend durch Konzertverpflichtungen abwesenden Vater oft schmerzlich vermisst. Die Schule will er schmeißen, um früher ans Konservatorium zu kommen.
Dann handelt er einen Deal mit seinen Eltern aus. Mit 19 Jahren beginnt er eine solide Kapellmeisterausbildung und kein Dirigierstudium. Vielleicht macht er gerade deshalb so schnell Karriere. Jordan erarbeitet sich ein unglaublich breites Repertoire von Bach bis hin zum Musical und zeitgenössischer Oper, wie die Uraufführung von Michael Jarrells "Berénice". Heute, mit Mitte vierzig, hat der Schweizer jede Menge Erfahrung in führenden Positionen hinter sich und fast 70 verschiedene Opern dirigiert. Wichtig war ihm aber immer, neben der konsequenten Arbeit an Klang und Stil, ein Werk gemeinsam mit den Ausführenden geistig zu durchdringen.
Die Stille des Publikums, die Konzentration aller Mitwirkenden, der Raum an Bewusstsein, der dabei entsteht, sind das eigentlich Spannende, das Magische. Wagner oder Mozart schaffen die Musik, um diesen Raum, diese Stille erlebbar zu machen. Auch wenn die Musik sehr laut ist, hat man 2.000 Menschen in einem Saal, die durch ihre Stille und Aufmerksamkeit für ein Konzert oder eine Opernaufführung zu wichtigen Mitspielern werden.
Ich kann mir das Leben ohne Mozart schwer vorstellen.
Jordan lässt auch Unangenehmes nicht aus, beschönigt nichts, macht seine Leser vertraut mit den Anforderungen im Musiktheater- und Konzertbetrieb. Das Buch ist eine Art Bilanzierung seines bisherigen Werdegangs. Geschrieben hat er es nicht selbst, sondern er hat stattdessen lange mit der Wiener Journalistin Haide Tenner gesprochen, die die Gespräche dann zu einem Buch gemacht hat. Herausgekommen ist ein lebendiger Einblick in das Denken des neuen Musikdirektors der Wiener Staatsoper: anspruchsvoll, persönlich und doch spannend zu lesen. Die Oper ist für Jordan die größte Kunstform überhaupt, weil dort viele Künste zusammenwirken müssen. Und für das Haus am Ring wünscht er sich: "Ich kann mir das Leben ohne Mozart schwer vorstellen: Auch in Wien soll jedes Jahr mindestens eine Mozart-Oper auf meinem Programm stehen und in den fünf Jahren bis 2025 sind zumindest Neuproduktionen der Da Ponte-Opern vorgesehen."
Philippe Jordan:
"Der Klang der Stille"
Aufgezeichnet von Haide Tenner
Residenz Verlag, Salzburg-Wien
256 Seiten, zahlreiche Abbildungen
Preis: 26,00 Euro (Hardcover)
Sendung: "Allegro" am 25. August 2020 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK