Es ist Perahias zweites Album bei der Deutschen Grammophon: Nach seiner intensiven Auseinandersetzung mit Bachs Französischen Suiten legt der Pianist nun eine Aufnahme von zwei bekannten, durchaus gegensätzlichen Beethoven-Sonaten vor. Perahia kombiniert auf der neuen CD die lyrische Mondscheinsonate mit der hochimpulsiven Hammerklaviersonate.
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Sie sei "auch heute noch eine harte Nuss", die Hammerklaviersonate, meint Beethoven-Kenner Murray Perahia. Und tatsächlich ist dieses Stück eine Einzelerscheinung unter den insgesamt 32 Klaviersonaten von Beethoven: viersätzig gebaut mit einer Spieldauer von über 40 Minuten ist dieses Opus größer und in sich kontrastreicher als die meisten anderen Sonaten. Der Beiname "Hammerklavier-Sonate" bezieht sich auf ein anno dazumal neuartiges Tasteninstrument, das Beethoven von einer englischen Firma geschenkt bekam und ihn zu Neuem inspirierte. Der Hammerflügel hatte einen größeren Tonumfang, einen voluminöseren Klang und bot mehr Spielmöglichkeiten mit dem Pedal. Alles sollte demnach "mächtiger, klangvoller, orchestraler sein", vermutet Perahia.
Der bald 71-jährige Pianist weiß, wovon er spricht. Denn als Mitherausgeber ediert er sämtliche Beethoven-Sonaten für den Henle-Verlag. Eine Gesamtaufnahme hat Perahia jedoch nicht vorgelegt. So gibt es bisher weder die "Hammerklavier"- noch die "Mondscheinsonate" in einer Studioaufnahme von ihm. Mit seinem neuen Album bringt Perahia die gegensätzlichen Ausdruckswelten dieser beiden Werke zusammen. Und schon bei der am Anfang stehenden "Hammerklaviersonate" wird klar: Perahia will mit seiner Interpretation nicht verstören oder überrumpeln, nichts exzentrisch ausstellen oder gar umwerfen. Er musiziert – und das ganz natürlich und zugunsten der Melodielinien und Phrasierung. Trotz meisterhaft ausgestellter Virtuosität in den Ecksätzen liegt über allem eine bewegte, aber stets gelassene Ruhe, die sich im ausgedehnten langsamen Satz melancholisch ausbreitet.
Man kann gerade die "Hammerklaviersonate" von Beethoven mehr gegen den Strich bürsten, stellenweise ruppiger oder exzentrischer spielen. Perahia setzt zwar auf virtuose Kontraste, zugleich hat er jedoch immer das große Ganze im Blick, das zusammengehalten werden will. Dabei ist seine musikalische Gestaltungskraft offensichtlich so selbstverständlich, dass er sie selbst kaum zu bemerken scheint. Wie enorm schwer der "leichte" Kopfsatz der "Mondscheinsonate" ist, lässt sich nicht erahnen. Das Stück erschließt sich im Fluss wie von selbst, zart und lyrisch. So unprätentiös und gentlemanlike hört man das selten. Und im Schlusssatz zeigt sich dann auch, dass Perahia tüchtig zupacken kann.
Wer zu Perahias Album greift, kann sich mit zwei gewichtigen Ausdruckswelten Beethovens vertraut machen und begeistern lassen, auch wenn stellenweise das fiebrig-Atmosphärische fehlt, das Perahia mehr im Konzertsaal beim Live-Erlebnis spüren lässt. Es ist eine zeitlos-tiefgründige, im besten Sinne noble Beethoven-Aufnahme eines außergewöhnlichen Musikers.
Ludwig van Beethoven:
Klaviersonate Nr. 14 cis-Moll, op. 27/2, "Mondschein"
Klaviersonate Nr. 29 B-Dur, op. 106, "Hammerklavier"
Murray Perahia (Klavier)
Label: Deutsche Grammophon
Sendung: "Leporello" am 12. Februar 2018, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK