Sechs langsame Sätze, in knapp 38 Minuten ohne Unterbrechung gespielt, das ist eine eher ungewöhnliche Konzeption für ein Streichquartett. Höchst ungewöhnlich ist auch die Tonart: es-Moll. Vor Dmitri Schostakowitsch wählte sie einzig und allein Peter Tschaikowsky für das letzte seiner drei Quartette. Mit ihm gedachte er eines engen Freundes, des 1875 verstorbenen Geigers Ferdinand Laub. Eine Trauermusik ist auch Schostakowitschs letztes Streichquartett, allerdings viel radikaler.
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Ähnlich seiner Vierzehnten Sinfonie ist dieses es-Moll-Quartett ein Abgesang auf das Leben, wie fast alle seine Spätwerke. Allein die Satzbezeichnungen lassen ahnen, dass wenig Freude aufkommt in diesem Werk: Elegie, Serenade, Nocturne, Trauermarsch, Epilog. Ein rabenschwarzes Stück, voller Ängste, ohne Hoffnungsschimmer. Zwischendurch ein Aufbäumen gegen das unvermeidliche Ende, dann das Verlöschen. Trotz allem wirklich große Musik, auch wenn sie keinen großen Trost bietet.
Das Danish String Quartet spielt sie ohne jeden Anflug von Larmoyanz oder Selbstmitleid, ganz genau so, wie sie gedacht ist. Streng, fast mit ein wenig Understatement, und doch ungemein intensiv. Fast eine Viertelstunde dauert der erste Satz, dynamisch bewegt er sich praktisch ausschließlich zwischen Piano und Mezzopiano. Man kann das durchhalten ohne Spannungsverlust, und die vier Dänen schaffen es. Eine großartige Interpretation, in den langen leisen, aschfahlen Passagen wie in den radikal geschärften Ausbrüchen etwa des zweiten Satzes.
"Prism" hat das Danish String Quartet sein neues Album genannt, das erste einer Reihe, in der die fünf letzten Beethoven-Quartette mit späteren Werken gekoppelt werden sollen, hier eben dem letzten Schostakowitsch-Quartett. Man darf gespannt sein, welche Komponisten es neben Schostakowitsch sein werden, auf die Beethoven prismatisch Licht werfen soll. Immer mit dabei sein wird eine Fuge aus Bachs "Wohltemperiertem Klavier" in der Quartett-Fassung von Mozart. Ganz abgesehen vom durchaus spannenden Konzept der Reihe, aus dem Auftakt, Beethovens Es-Dur-Quartett op.127, machen die vier Jungs aus Dänemark ein Versprechen für die Zukunft. Sie mögen sich im Beiheft immer noch als eine Art Boygroup sehen, wenn auch nicht mehr ganz so jung. An musikalischer Reife sind sie weit darüber hinaus, musizieren mit einer fantastischen Mischung aus Wildheit und Disziplin, Klangschönheit und Expressivität, Versunkenheit und Extrovertiertheit. Das kann ein sehr spannender später Beethoven werden.
Johann Sebastian Bach:
Fuge Es-Dur BWV 876
Dmitrij Schostakowitsch:
Streichquartett Nr.15 es-Moll op.144
Ludwig van Beethoven:
Streichquartett Es-Dur op.127
Danish String Quartet
Label: ECM
Sendung: "Leporello" am 08. Oktober 2018, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK