Auf die Idee muss man erst mal kommen: Bachs c-Moll-Fuge aus dem ersten Teil des Wohltemperierten Klaviers zum schrillen Ragtime aufzupeppen. Kein Problem für Paul Hindemith, der damit in den Zwanziger Jahren sein Image als Provokateur pflegte.
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Und Paavo Järvi findet mit dem hr-Sinfonieorchester die Balance zwischen scharfkantiger Kontur und augenzwinkerndem Humor. In den neobarocken Stücken für Streichorchester, die Hindemith zur Musikschulbewegung beisteuerte, streifen sie sogar Mahler-nahe Ausdrucksregionen.
Die "Sinfonischen Metamorphosen nach Themen von Carl Maria von Weber", 1943 im amerikanischen Exil entstanden, zeigen nicht nur, dass Hindemith brillant instrumentieren konnte. Die parodistischen Züge in seiner Bearbeitung von Webers "Turandot"-Ouvertüre kitzeln Järvi und seine Musiker mit Leichtigkeit und Swing gewitzt heraus. Für grelle Marsch-Karikaturen hatte Hindemith zeitlebens etwas übrig. So machte er aus einem vierhändigen Trauermarsch von Weber kurzerhand einen bizarren Geschwindmarsch.
Mit der Berliner Uraufführung seiner Symphonie "Mathis der Maler" 1934, einer Vorstufe zu seiner gleichnamigen Oper, verschärfte sich Hindemiths Situation in Nazideutschland. Järvi stellt die schräge Harmonik drastisch aus, sorgt für rhythmische Spannung und markante Artikulation.
Paavo Järvi bringt Hindemiths Idiom auf den Punkt. Er entschlackt den oft dichten Tonsatz, macht die Struktur durchhörbar. Alles klingt leicht, schlank, elegant. Und die Musiker des hr-Sinfonieorchesters leisten Erstaunliches: Intensiv agieren die Streicher, weich und rund intoniert das Blech. Wer bislang Vorbehalte gegen Hindemith hatte, wird durch dieses fabelhafte Album auf den Geschmack kommen!
Paul Hindemith:
Sinfonie "Mathis der Maler“
Sinfonische Metamorphosen nach Themen von Carl Maria von Weber
Fünf Stücke für Streichorchester op. 44 Nr. 4
Ragtime (wohltemperiert)
hr-Sinfonieorchester
Leitung: Paavo Järvi
Label: Naïve
Sendung: "Leporello" am 21. März 2018 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK