Die Budapester Dirigenten-Dynastie Fischer hat sich weit über Ungarn hinaus einen Namen gemacht. Aktuell tragen die Brüder Ádám und Iván den Ruhm der Familie in die Welt, den ihr Vater Sándor und ihr Cousin György begründet haben. Beide Brüder haben eigene Orchester ins Leben gerufen. Bis heute leitet Iván Fischer das Budapest Festival Orchestra, das er 1983 in seiner Heimatstadt mitgegründet hat. Am 20. Januar feiert Iván Fischer seinen 70. Geburtstag.
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Unzählige Aufnahmen und Tourneen bezeugen den Rang des Dirigenten Iván Fischer und seines Budapest Festival Orchestra. Und zu diesen Tonaufnahmen gehören nicht zuletzt die wichtigsten Orchesterwerke von Fischers Landsmann Béla Bartók. Klar, dass dieser Komponist zum Kernrepertoire eines ungarischen Dirigenten gehört. Zwar dirigiert Iván Fischer keineswegs nur ungarische Musik, aber er liebt den Stilmix der einstigen Donaumonarchie. "Ich glaube, dass die Art, wie die Ungarn Musik machen, eine sehr interessante Mischung darstellt", erklärt er dazu. Das Wiener Stilgefühl, das Temperament vom Balkan, die Streicher-Schule von Odessa – in der ungarischen Musik kreuzten sich viele musikalische Einflüsse. "Und natürlich spielen auch die Roma in Ungarn eine Rolle, die ihre fantastische Intuition als Tradition weitergeben."
Die Art, wie die Ungarn Musik machen, stellt eine sehr interessante Mischung dar.
Ab 1965 studiert Iván Fischer am Budapester Konservatorium Cello und Komposition, Dirigieren dann später bei Hans Swarowsky in Wien und als Assistent von Nikolaus Harnoncourt in Salzburg. Fischer profitiert von Harnoncourts historischem Ansatz, wie seine entschlackten Brahms- und Beethoven-Interpretationen mit dem Budapest Festival Orchestra zeigen. Sein feuriger Dirigierstil sorgt für das Salz in der Suppe.
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Bildquelle: Sonja Werner
Nach Wettbewerbserfolgen dirigiert Fischer viel in England und Oper auch in Lyon. Er debütiert in den USA. Die europäischen Spitzenorchester laden ihn ein. Unter anderem mit Mahler-Symphonien, denn wie sein Bruder Ádám ist Iván Fischer ein großer Mahler-Dirigent. Seine Mahler-Affinität demonstriert er auch in seiner Zeit als Chef des Berliner Konzerthausorchesters. Und 1990 beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, wo Fischer die Erste Symphonie dirigiert. "Es ist so ein wunderbares Stück, es liegt mir sehr nah", schwärmt Fischer über das Werk. "Vielleicht, weil ich darin sehr viel von diesem bürgerlichen, assimilierten jüdischen Background erkenne, den Mahler hatte – und aus dem ich selber komme." Das Werk habe mit jiddischen Volksliedern zu tun, aber auch mit Schubert. "Und diese Mischung habe ich sehr gern."
Das ist eines der besten Orchester der Welt, das kann man nicht einfach fallen lassen.
Iván Fischer, der seine jüdischen Großeltern durch den Holocaust verloren hat, gibt seit 2014 Konzerte mit Mitgliedern seines Orchesters in ungarischen Synagogen. Damit will er das Bewusstsein für jüdisches Leben in seiner Heimat stärken. Auch Fischers Einsatz für Geflüchtete und ein geeintes Europa sind dem Rechtspopulisten Orbán natürlich suspekt
Trotz Etat-Kürzungen durch die Regierung denkt Fischer aber nicht daran, wie der Pianist András Schiff Ungarn den Rücken zu kehren: "Ich habe mein Orchester in Budapest, mein Orchester hält mich dort", sagt Fischer. "Ich bin verantwortlich für viele Leute – und das ist eines der besten Orchester der Welt, das kann man nicht einfach fallen lassen." Für den Dirigenten ist sein Orchester wichtiger als die Politik: "Wir müssen uns alle dafür einsetzen, dass es nicht schlimmer wird – aber das Orchester muss überleben."
Sendungen:
"Allegro" am 20. Januar 2021 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Iván Fischer dirigiert Tschaikowskys Symphonie Nr. 4 am 24. Januar 2021 ab 22:00 Uhr auf BR-KLASSIK