Preise für Klassik-Aufnahmen gab es schon immer. Und viele davon waren auch für unseren Kolumnisten Laszlo Molnar Gütesiegel für einen verdienten Platz im CD-Regal. Am Sonntag, 29. Oktober 2017 wird in der Hamburger Elbphilharmonie der ECHO-Klassik verliehen. Laszlo Molnar wird die Gala ignorieren.
Es war mitten in der Pubertät, als ich begann, meine Begeisterung für die klassische Musik zu spüren. Sie verleitete mich zu regelrechten Hörexzessen und Musikräuschen. Die wurden hauptsächlich verursacht von Schallplatten, die ich mir kaufte, auslieh oder in der Musikbücherei anhörte. Immer und immer wieder. Die Industrie boomte. Regelmäßig brachte sie Aufnahmen heraus, deren Erscheinen ich und meine Klassik-Freunde mit großer Spannung und Begierde entgegenfieberten. Etwa Mozarts Zauberflöte mit Edda Moser als Königin der Nacht und Wolfgang Sawallisch als Dirigent. Mahler-Sinfonien mit Sir Georg Solti. Alle Neune von Beethoven mit den Wiener Philharmonikern unter der Leitung von Leonard Bernstein. Mozarts Klavierkonzerte mit Alfred Brendel und der Academy of St. Martin in the Fields.
Dann kam der "Echo". Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich mit meinen Kollegen - mittlerweile verdiente ich mein Geld als Musikkritiker in Österreich – in der Redaktion der "Salzburger Nachrichten" saß und wir die Nachricht von der Einführung eines neuen Schallplattenpreises in Deutschland sahen. Es war das Jahr 1994. Wir machten uns kundig. Und erfuhren, dass die Gründerin die "Deutsche Phonoakademie" war. Diese "Akademie" hatte der damalige "Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft" ins Leben gerufen. Der Verband war bis dahin am Deutschen Schallplattenpreis beteiligt, bis die Kritiker und Journalisten sich von ihm distanzierten. Mit dem "Echo"-Preis, so war zu erfahren, wollte man auch den Erfolg auf dem Markt berücksichtigen. Eine der ersten Preisträgerinnen war Cecilia Bartoli. Die nächsten Jahre hagelte es weiter "Echos" auf die Sängerin. Dreizehn Mal hintereinander erhielten ihre Alben den Preis. In der Redaktion machten wir uns einen Spaß daraus, zu raten, wofür Cecilia Bartoli denn im laufenden Jahr den "Echo" bekommen würde.
Den Ersatz für das einstige Zugpferd Bartoli darf heutzutage Anna Netrebko liefern - vom Druck ihrer Vermarktung her quasi die Callas der Gegenwart. Sie erhielt bislang elf Echos, dicht gefolgt von Anne Sophie Mutter, die neunmal gekürt wurde. Das Schicksal der Callas sollte eine Mahnung sein. Netrebkos einstiger Kollege Rolando Villazon musste jedenfalls den (hohen) Preis für den Vermarktungsdruck zahlen.
Diese Gala wird in diesem Jahr am 29. Oktober in der Elbphilharmonie in Hamburg über die Bühne gehen. Auf der Website werden die Künstler angegeben, die auftreten werden: "Neben Jonas Kaufmann ("Bestseller des Jahres") werden die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker und Geiger Daniel Hope (beide "Klassik ohne Grenzen"), Mezzosopranistin Joyce DiDonato und Bariton Matthias Goerne ("Sänger/in des Jahres"), Pianist Maurizio Pollini und Akkordeonistin Ksenija Sidorova ("Instrumentalist/in"), Cellistin Camille Thomas ("Kammermusikeinspielung (19. Jahrhundert)"), Pretty Yende und Lucas Debargue ("Nachwuchskünstler/in") sowie Aida Garifullina ("Solistische Einspielung") zu erleben sein."
Ich gebe zu, das sind auch für mich seriöse Musiker, wobei für mich die Leistungen der 12 Cellisten nie sonderlich beeindruckt haben. Aber es sind wohlfeile Namen, mit denen man nichts falsch machen kann. Alle haben Erfolg im Musikgeschäft. Die bekannten haben sich gut verkauft, die weniger bekannten werden sich ab sofort hoffentlich gut verkaufen.
Was mich an diesem Preis stört, ist, dass die Branche auf vorhersehbare Weise immer die gleichen Erfolgsträger vorführt. Es klingt, als sei Anna Netrebko seit elf Jahren unangefochten die "beste" Sängerin, als sei Anne Sophie Mutter jahrelang die "beste" Geigerin gewesen, als müsse Lang Lang der "beste" Pianist sein. Was ist da das Kriterium? Sie sind vielleicht die bekanntesten – möglicherweise sollte die Phono-Akademie so ehrlich sein, und ihre Favoriten einfach für die Zahl ihrer Auftritte und Verkäufe auszeichnen und dies bei der Gala auch verkünden.
Sendung: "Allegro" am 11. Oktober 2017, ab 06.05 Uhr auf BR-KLASSIK