Er ist der Mann für den Klang. Der Akustiker Yasuhisa Toyota hat einige der weltweit renommiertesten Konzertsäle gestaltet. Zuletzt die Isarphilharmonie in München, Ausweichquartier für den Gasteig, der in den nächsten Jahren renoviert wird. BR-KLASSIK-Redakteur Bernhard Neuhoff hat den Japaner an seiner jüngsten Wirkungsstätte getroffen und ihn gefragt, was einen guten Konzertsaal ausmacht.
"Ich weiß es selbst nicht", antwortet Yasuhisa Toyota auf die Frage danach, ob er mehr Ingenieur oder mehr Künstler sei. Im Interview gibt er sich bescheiden, fast demütig. Dabei gilt er als der wohl weltweit einzige "Starakustiker". Ohne ihn gäbe es das Wort wahrscheinlich gar nicht. Der Japaner ist verantwortlich für den Sound von über 50 Konzertsälen, darunter einige der renommiertesten: Die Suntory Hall in Tokio zählt dazu, die Walt Disney Concert Hall in Los Angeles, natürlich die Elbphilharmonie in Hamburg – und nun auch die Isarphilharmonie in München. Die Eröffnung steht kurz bevor, die ersten Proben haben bereits stattgefunden. Ein guter Anlass für ein Gespräch mit dem Meisterakustiker.
Zur Wahrheit gehört aber: Dasselbe Orchester hört sich in dem einen Saal ganz anderes an, als in einem anderen. Das betont auch Alexandra Gruber, Soloklarinettistin bei den Philharmonikern. "Klar, aber nicht kalt" sei der Klang der neuen Isarphilharmonie. Und wärmer, intimer, auch runder im Vergleich zur Elbphilharmonie, deren Akustik Toyota ja ebenfalls gestaltet hat: "Es liegt vielleicht auch ein bisschen an der Farbe", überlegt die Musikerin weiter: "Die Elbphilharmonie ist hell, bei uns ist es eher dunkel, bisschen gemütlicher. Und genauso würde ich den Klang auch beschreiben: ein bisschen dunkler, was uns Münchner Philharmonikern ja eher passt als ein heller Klang."
Klar, aber nicht kalt – das zumindest müsste den Akustiker freuen. Nach einigem Nachbohren nennt der dann nämlich doch noch zwei Kriterien, die für ihn einen guten Konzertsaal ausmachten: "Ich denke es ist sehr wichtig, dass man das Gefühl bekommt, dass der Raum selbst klingt, oder der Saal von Klang erfüllt ist. Aber genauso wichtig ist Klarheit oder Transparenz, also die Möglichkeit, die Instrumente einzeln zu hören. In guten Konzertsälen geht beides zusammen." Und auch um Beispiele ist Toyota nicht verlegen, nennt ohne zu Zögern den Wiener Musikverein und den Amsterdamer Concertgebouw.
Interessante Antwort – immerhin sind beide Säle für ihren warmen Klang berühmt und unterscheiden sich darin deutlich von der Akustik der Elbphilharmonie, von der es oft heißt, sie sei zu transparent. Ein Verdacht drängt sich auf: Hat Toyota vielleicht selbst ein kritisches Verhältnis zu seiner Hamburger Arbeit? Von wegen: "Je transparenter, desto besser!“ Auch hier fällt die Antwort des Akustikers eindeutig aus. Wenngleich er schmunzelnd zugibt, dass eine transparente Akustik natürlich weniger Fehler verzeihe. Womit wir wieder am Anfang wären: Ein Saal klingt nur so gut, wie das Orchester, das ihn zum Klingen bringt.
Im Fall der Isarphilharmonie werden das vor allem die Münchner Philharmoniker sein, denen oft ein dunkler, warmer Klang nachgesagt wird. Ideal für spätromantische Werke, allen voran Bruckner. Toyota gefällt diese Prägung: "Orchester sind heutzutage oft sehr vielseitig, aber auch wenig unterscheidbar. Ich denke, es ist sehr wichtig, dass es noch sowas gibt wie lokale Traditionen, spezielle musikalische Charaktere. In diesem Sinne sind die Münchner Philharmoniker ein wirklich einzigartiger Klangkörper." Kennengelernt habe er den Sound des Orchesters schon vor Jahrzehnten in einem anderen seiner Säle, der Tokioter Suntory Hall. Damals stand noch Sergiu Celibidache am Pult, gespielt wurde Bruckners Fünfte – und das Ergebnis sei schlicht überwältigend gewesen, so Toyota. "Mir fehlen die Worte, das zu beschreiben! Und diesen Klang habe ich eben in der Probe wieder gehört."
Sendung: "Allegro" am 27. September 2021 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK