Beim diesjährigen ARD-Musikwettbewerb spielten 55 Fagottistinnen und Fagottisten um die Gunst der Jury. Wie schon beim vergangenen Fagott-Wettkampf 2013 gab es auch dieses Jahr keinen ersten Platz – und trotzdem drei Sieger. Unser BR-Klassik-Reporter berichtet von seiner Zeit mit dem Fagott und warum er Carl Maria von Weber vorerst nicht mehr hören möchte.
Eineinhalb Takte lang c-Moll, dann ein Septakkord auf G, darüber eine zögerliche Melodie: Es gibt einen Stückanfang, bei dem ich momentan das Radio sofort ausschalten und den Konzertsaal schnellstens verlassen würde. Er gehört zum "Andante e Rondo Ungarese" von Carl Maria von Weber. Fünfundfünzigmal wurde es im ersten Durchgang der Kategorie Fagott beim ARD-Musikwettbewerb 2019 gespielt. Einen Großteil davon habe ich gehört – und ich habe großen Respekt vor der Jury, die jeden Teilnehmer und jede Teilnehmerin konzentriert bewerten konnte, egal ob morgens um 10 Uhr oder abends um 21 Uhr. Ich mochte es schon nach einem Tag nicht mehr.
Musikalisch versöhnte mich dann spätestens der zweite Durchgang mit dem Fagott. Jeder und jede spielte eine klassische Sonate von François Devienne, meist begleitet von Olga Watts am Cembalo. Dann ein eher romantisches Stück und schließlich ein zeitgenössisches Werk. Schon bei der ersten Kandidatin Michaela Špačková war ich begeistert: Bei "Mit Erinnerung" von Nicolaus A. Huber holte sie die interessantesten Klänge aus ihrem Instrument heraus. So auch der spätere Preisträger Mathis Stier in "KLAUS-UR" von Heinz Holliger – er spielte das anspruchsvolle Stück sogar auswendig.
Es blieb nur wenig Pause zwischen den Runden. Zeit, die natürlich zum Üben genutzt wurde – und für die Rohre. So nennen die Fagottisten ihre Doppelrohrblätter, die Mundstücke, mit denen sie ihr Instrument spielen. Sie bauen sie selbst aus Schilfrohr und passen sie immer wieder an. Sogar ans Wetter: Vor dem Wettbewerb war es warm und sonnig, zum ersten Durchgang gab es Regen, solche Umschwünge können einen Unterschied machen. Sogar Münchens Lage gut 500 Meter über dem Meeresspiegel beeinflusst die Rohre: "Wenn ich aus Köln nach München komme, kann ich schon einen Unterschied feststellen", sagte Mathis Stier. "Dann mache ich nochmal ein paar Veränderungen."
Knapp die Hälfte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer im ersten Durchgang war weiblich. Das Fagott war damit das Fach mit dem ausgeglichensten Geschlechterverhältnis. Das blieb auch im zweiten Durchgang und im Semifinale noch so – das Finale war letztlich aber nur mit Männern besetzt. "Ich glaube, dass in Musikhochschulen inzwischen sogar mehr Frauen sind, die Fagott spielen. Im Orchester sind es momentan noch mehr Männer. Aber langsam wird sich das ändern", sagte Jury-Mitglied Rachel Gough.
Neben Gough saß Marc Trénel in der Jury, 2008 gewann er den ersten Preis im Fach Fagott. Das war bisher das einzige Mal, dass dieser Preis vergeben wurde – und natürlich fragte ich mich genau wie der Rest des Finalpublikums, ob es denn dieses Jahr anders werden würde. Mit Andrea Cellacchi, Theo Plath und Mathis Stier waren drei Fagottisten ins Finale gekommen, die schon in allen Durchgängen vorher überzeugten. Stier und Plath haben beide in München studiert. "Sie haben einen kräftigen Ton, sie sind mehr Draufgänger", sagte Jury-Vorsitzender Milan Turković. Bei Cellacchi höre man dagegen, dass er aus der italienischen Schule kommt. "Er hat eine etwas zurückhaltende Art, er spielt einen zweiten Satz eher sanft, dadurch wirkt der Kontrast sehr stark bei ihm".
Der Publikumspreis ging an Mathis Stier, der als gebürtiger Münchner sein Heimspiel feierte. Für ihn geht es nun zurück nach Köln, wo er Solofagottist beim WDR Sinfonieorchester ist. Cellacchi und Plath treten neue Stellen an: Cellacchi beim Radiosinfonieorchester in Turin, Plath beim hr-Sinfonieorchester. "Aber vorher fünf Tage Ferien", sagt Plath. So mache ich es auch – auf jeden Fall ohne Carl Maria von Weber.
Sendung: "Allegro" am 16. September 2019 ab 06.05 Uhr auf BR-KLASSIK