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Arvo Pärt bekommt Polar Music Prize Ein Musik-Heiliger

Mit seiner hageren Figur, seiner hohen Stirn und seinem Rauschebart wirkt Arvo Pärt wie ein Mönch. Und als "Heiliger der zeitgenössischen Musik" wird er in der Öffentlichkeit auch gerne inszeniert. Am Dienstag bekommt er in Stockholm einen der renommiertesten Musikpreise der Welt: den Polar Music Prize.

Bildquelle: Paul Hegeman Production

Er wirkt weltabgewandt, wie ein Pilger, wie ein Mönch – mit seiner hageren Figur, seiner hohen Stirn, seinem Rauschebart. Arvo Pärt spricht langsam, leise, stockend. Jedes seiner Worte scheint der Stille abgetrotzt. Genauso wie seine Musik: "Ich habe nach etwas gesucht, eine Sehnsucht gehabt. Ich wusste nicht: Wo ist das? Was ist das? Aber ich wusste, dass es so etwas gibt, was ich suche."

Alle Musik ist geistlich. Alles, was es in der Welt gibt. Nur der Geist ist verschieden.
Arvo Pärt

Flirt mit dem westlichen Serialismus

Kam am 10. September in die Kinos: "That Pärt Feeling" - ein Portrait über Arvo Pärt | Bildquelle: Paul Hegeman Productions Arvo Pärt, der "Heilige" der zeitgenössischen Musik. So jedenfalls wird er in der Öffentlichkeit gern inszeniert. Freilich hat auch er einen steinigen Weg hinter sich. Geboren wurde die heutige Symbolfigur orthodoxer Spiritualität in der Zeit des Stalinismus in eine evangelische Familie. Am Konservatorium von Tallinn, wo er studierte, gehörte die "Wissenschaft des Atheismus" zu den Pflicht-Unterrichtsfächern. Pärt rebellierte, flirtete mit dem westlichen Serialismus, komponierte wüste Collagen. 1968 wurde seine Komposition "Credo" nach der Uraufführung in der Sowjetunion mit einem Aufführungsverbot belegt. Pärt spürte, dass er in eine Sackgasse geraten war, hörte auf zu komponieren, verstummte.

Einmal, in den 1970er-Jahren, sei Pärt an einer Bushaltestelle vor dem Haus der Familie gestanden. Ein Straßenfeger war dort, berichtet Pärt weiter. Und den fragte er: "Wie soll ein Komponist Musik schreiben?" Der Straßenfeger habe auf den Komponisten geschaut und gesagt: "Ja, was könnte das sein? Vielleicht muss man jeden einzelnen Ton lieben."

Markenzeichen "Tintinnabuli-Stil"

Arvo Pärt 2011 im Vatikan | Bildquelle: picture-alliance/dpa Aus der Krise, dem Schweigen, aber auch dem intensiven Studium der Gregorianik und der Renaissance-Polyphonie erwuchs eine Musik, die völlig neu war, aber so klang, als hätte es sie schon immer gegeben. "Tintinnabuli-Stil", Glöckchen-Stil, hat Pärt seine Methode getauft. Sie wirkt meditativ, intuitiv, manchmal sogar simpel. Und doch schnurrt im Hintergrund ein Uhrwerk aus strengen, selbstauferlegten Kompositionsregeln ab, die Pärts Musik vor jeder Banalität bewahrt.

Als der Welterfolg kam und die Methode zur Masche zu werden drohte, hat Pärt Gegenstrategien ergriffen, hat seine Musik zum Dramatischen hin geöffnet, ins Opulente geweitet, manchmal in ein dezent neoromantisches Gewand gekleidet. Und doch zählen die reduzierten Partituren der klassischen "Tintinnabuli"-Periode, wie "Fratres", "Spiegel im Spiegel" oder auch die "Johannespassion", bis heute zu Pärts kraftvollsten Werken. Weil in ihnen die Kunst der Beschränkung der Schlüssel ist zur Unendlichkeit: "Eines Tages, wenn wir vor Gottes Gericht stehen, wissen wir nichts. Und unser ganzes Wissen zählt nichts. Es zählt vielleicht nur, wie wir gelebt haben. Oder kürzer gesagt: Haben wir geliebt?"

Eines Tages, wenn wir vor Gottes Gericht stehen, wissen wir nichts.
Arvo Pärt

Sendung: "Allegro" am 23. Mai ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK