Franz Lehárs letztes Musiktheaterwerk "Giuditta" aus dem Jahr 1934 wird mal als "Spieloper", mal als "Musikalische Komödie" oder auch als "Operette" betitelt. An der Bayerischen Staatsoper war das Stück jedenfalls noch nie zu sehen. Am 18. Dezember erlebte "Giuditta" dort ihre Erstaufführung in einer Fassung von Regisseur Christoph Marthaler, der Lehárs Komposition mit Orchestermusiken und Liedern von seinen Zeitgenossen wie Arnold Schönberg, Erich Wolfgang Korngold oder Dmitri Schostakowitsch durchbricht.
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Es sei klar gesagt, der Titel trügt. Mit Operette hat dieser Abend ebenso wenig zu tun, wie mit Oper oder Schauspiel. Vielmehr ist er ein szenisches Experiment, eine Collage aus Teilen der "Giuditta" und großen Orchesterwerken und auch Kammermusik, die zwischen 1912 und 1940 komponiert wurden. Ein Liederabend, eine Revue? Von beidem etwas, aber auch Schauspiel ist dabei: Figuren aus Ödön von Horváths Historie "Sladek, oder die schwarze Armee" dringen gleich zu Beginn in die Handlung ein, Octavio spannt Giuditta ihrenTuba spielenden Ehemann aus, während das ursprüngliche Buffo-Paar aus der "Giuditta" zu Anna und Sladek aus dem Horváth Stück mutiert und der Wert von Denunziation und Desertion für ein Liebepaar in Kriegszeiten abgehandelt wird. Ihr Lehár'sches Liebesduett dürfen Kerstin Avemo als Anna und Sebastian Kohlhepp als Sladek dennoch singen. Nur tanzen tut eine wild zappelnde Solistin an ihrer Stelle.
Im kürzeren zweiten Teil funktioniert die Dramaturgie besser. Im fünfköpfigen Sänger-Ensemble bewähren sich neben dem überragenden Daniel Behle als Lehár-getreuer Octavio Jochen Schmeckenbecher und die koloraturstarke Kerstin Avemo auch als hervorragende Liedinterpreten. Hausdebütantin Vida Mikneviciute hat es als Giuditta schwerer, denn ihre Rolle verlangt eine unwiderstehliche Sinnlichkeit – bei der Litauerin überwiegt allerdings szenisch und auch stimmlich eine distanzierte Kühle, die sich über den gesamten kopflastigen Abend legt und Teile des nur zu einem Viertel besetzten Münchner Opernhauses zu lautstarkem Protest gegen das Regieteam bewegt.
Sendung: "Allegro" am 20. Dezember 2021 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK