Am Sonntagvormittag haben Staatsintendant Nikolaus Bachler, Generalmusikdirektor Kirill Petrenko und Ballettdirektor Igor Zelensky ihr Programm für die Saison 2019/20 an der Bayerischen Staatsoper vorgestellt. Das Spektrum reicht von der Barockoper bis zur Uraufführung. Fridemann Leipold mit den Highlights des Spielplans.
Vom Münchner Opernpublikum verabschieden wird sich Petrenko im Juli 2020 – wie könnte es anders sein – mit Giuseppe Verdis augenzwinkerndem Vermächtnis "Falstaff". Den schlitzohrigen Dickwanst Falstaff verkörpert erstmals Publikumsliebling Wolfgang Koch. Ein Coup von Bachler: Für die pralle Situationskomik und den philophischen Tiefsinn dieser Shakespeare-Adaption ermunterte der Intendant die slowenische Regisseurin Mateja Koležnik zu ihrer ersten Opernarbeit. In München hatte Koležnik mit ihren klugen Inszenierungen am benachbarten Residenztheater Furore gemacht.
Und nochmal Verdi: Zum ersten Mal überhaupt zeigt die Staatsoper im März 2020 seine frühen "Masnadieri" nach Schillers "Räubern". Der hochtalentierte Michele Mariotti ist genau der richtige Dirigent dafür. Auch Regisseur Johannes Erath kehrt damit an die Bayerische Staatsoper zurück, wo er schon einmal mit Verdi einen Publikumserfolg landete. Star-Appeal bekommt die Produktion durch Diana Damrau, die in der einzigen Frauenrolle der Amalia debütiert.
Letzten Herbst bereits konnte man einen Vorgeschmack auf Hans Abrahamsens erste Oper "The Snow Queen" bekommen, als "Drei Märchenbilder" daraus in einem Akademiekonzert vorgestellt wurden. Wenige Wochen nach der Kopenhagener Uraufführung präsentiert die Bayerische Staatsoper diese brandneue "Schneekönigin" als Weihnachtspremiere. Dass es darin nicht besonders behaglich zugehen dürfte, zeigt schon die literarische Vorlage, Hans Christian Andersens gleichnamiges Märchen über vereiste menschliche Beziehungen. Eine Hauptrolle singt die charismatische Sopranistin Barbara Hannigan, die mit der Musik des Dänen bereits Triumphe gefeiert hat. Hannigan war auch die umwerfende Protagonistin Marie in Andreas Kriegenburgs epochaler Münchner Inszenierung von Zimmermanns "Soldaten". Mit "The Snow Queen" kehrt Kriegenburg an die Staatsoper zurück, für den Stuttgarter Generalmusikdirektor Cornelius Meister ist es die erste Premiere an dem Haus.
Ein weiteres Mal dirigiert der britische Barockspezialist Ivor Bolton, und der für seine eigenwilligen Bilderwelten bekannte Regie-Veteran Hans Neuenfels zeichnet für die Inszenierung verantwortlich.
Und endlich kann die serbische Performance-Ikone Marina Abramović ihr lange geplantes Projekt "7 Deaths of Maria Callas" an der Bayerischen Staastoper realisieren! "Die Callas war meine Inspiration", schreibt die Abramović in ihrer unbedingt lesenswerten Autobiografie Durch Mauern gehen. "Ich identifizierte mich sehr stark mit ihr. So wie ich war sie Sternzeichen Schütze, so wie ich hatte sie eine schreckliche Mutter gehabt. Wir sehen uns ähnlich. Mir war mehrmals das Herz gebrochen worden, sie ist sogar an gebrochenem Herzen gestorben." Bei der Uraufführung der internationalen Koproduktion im April 2020 stirbt die dann 73-jährige Abramović sieben Bühnentode auf den Brettern des Nationaltheaters. Sieben junge Sängerinnen singen die Sterbeszenen aus "Carmen", "Tosca", "Otello", "Lucia die Lammermoor", "Norma", "Madama Butterfly" und "La traviata". Verschränkt werden die Paradenummern der Callas mit Gelenkstücken des serbischen Komponisten Marko Nikodijević. Und für die Filmsequenzen konnte wunschgemäß Willem Dafoe gewonnen werden. Eine kleine Sensation, das Ganze.
Und sonst? Alles, was Rang und Namen hat in der Opernwelt, ist wieder dabei: Anna Netrebko debütiert als Turandot, Anja Harteros und Elīna Garanča rivalisieren in Verdis „Don Carlo“, Sonya Yoncheva ist Tosca, Christian Gerhaher Wozzeck und Plácido Domingo Nabucco. Mit Smetanas „Vaterland“-Zyklus und Mahlers „Symphonie der Tausend“ eröffnet und beschließt Kirill Petrenko auch die Reihe der Akademiekonzerte. Sein Nachfolger ab 2021, Vladimir Jurowski, ist mit einem Mozart-Bruckner-Programm dabei, die Nürnberger Generalmusikdirektorin Joana Mallwitz gastiert mit dem Pianisten Igor Levit. Schließlich setzt auch das traditionsbewusste Bayerische Staatsballett seinen Kurs zwischen Neoklassik und Moderne fort: Neben Roland Petits Klassiker „Coppélia“ von 1975 zeigt die Elite-Kompanie einen zeitgenössischen Dreiteiler u.a. mit einer Uraufführung und den „Bildern einer Ausstellung“. Zu Mussorgskijs Klavier-Original hat der russische Star-Choreograf und Ballett-Erneuerer Alexei Ratmansky 2014 für das New York City Ballet eine Hommage an den Maler Wassily Kandinsky kreiert.
"Kill Your Darlings" – so lautet das Motto der kommenden Spielzeit: "Dieser Appell beschreibt das Dilemma zwischen emotionalen Entscheidungen und rationalem Handeln", so Nikolaus Bachler, "ein Gedanke, der nicht nur in der Kunst selbst, sondern auch in der Entstehung unseres Jahresplans eine große Rolle spielt." Selten passte das Motto so gut zum Spielplan wie diesmal. Bis auf das große Finale mit Verdis "Falstaff" macht das Programm Lust auf Entdeckungen und ganz neue Klänge. Und mit der Frauenoffensive der Staatsoper könnte es eine der spannendsten Spielzeiten seit langem werden!
Das Programm der neuen Spielzeit finden Sie auf der Homepage der Bayerischen Staatsoper.
Sendung: "Leporello" am 18. März 2019 ab 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK