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Kritik – "Rigoletto" eröffnet Bregenzer Festspiele Himmelfahrt auf der Seebühne

Das Spektakel war technisch perfekt, das Wetter traumhaft und der Bodensee in Bestlaune: Ein Auftakt nach Maß bei den Festspielen in Bregenz. Philipp Stölzls Regiekonzept für seinen "Rigoletto" war durchaus poetisch, aber auch hektisch – berührend war dieser Verdi nicht.

Himmelfahrt auf der Seebühne

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Gut, singen kann er nicht, der Bodensee, aber in Bregenz spielt er trotzdem die Hauptrolle. Und er machte seine Sache diesmal hervorragend: In malerischem Blau und Gelb ließ er im Sonnenuntergang seine Wellen aufleuchten, das Wetter war perfekt, die Szenerie traumhaft. Und auch die Seebühne löste alle Ansprüche ein, die an sie gestellt werden: Spektakulär muss es sein, gewaltig groß und natürlich müssen ein paar Statisten ins Wasser fallen, diesmal übrigens besonders viele. Bei aktuell 22 Grad fällt das ja auch nicht schwer.

Die Inszenierung in Bildern

Die Hydraulik fauchte wie auf dem Jahrmarkt

Regisseur Philipp Stölzl hatte sich gemeinsam mit seiner Ausstatterin Heike Vollmer für seinen "Rigoletto" offenkundig von einem Rummelplatz inspirieren lassen, der schon bessere Tage gesehen hat. Der Lack ist ab, der Rost nagt an den Geländern, das Holz ist längst gesplittert. Das erinnert an abgetakelte britische Seebäder oder osteuropäische Vergnügungsmeilen. Der Kopf einer Puppe zieht alle Aufmerksamkeit auf sich: Ein Clownsgesicht an einem monströsen Krangestänge, das sich als ungemein beweglich und ausdruckstark erweist. Wenn es sich hebt und senkt faucht die Hydraulik, wie die Fahrgeschäfte auf einem echten Jahrmarkt.

Verblüffend, wie sich der Gesichtsausdruck dieser Puppe je nach Licht und Augenaufschlag verändert. Das macht richtig Effekt, und der Einfall, dieses Gesicht nach und nach zerstören zu lassen, passt ohne Zweifel zum "Rigoletto", wo der gleichnamige Hofnarr ja vom eiskalten Zyniker zum hilflosen Opfer wird. Also verliert der bühnenfüllende Kopf erst seine Augen, dann seine Nase und Zähne und weint schließlich Sturzbäche aus Bodensee-Wasser. Das versteht auch jeder, der sich vorher nie mit "Rigoletto" beschäftigt hat.

Gilda fährt zum Himmel auf

Bildquelle: Bregenzer Festspiele/Karl Forster Ähnlich eingängig, aber leider überstrapaziert ist Philipp Stölzls Idee, den so empfindlichen und kurzlebigen Luftballon als Sinnbild für die bedrohte Poesie, für Lebensglück und -träume einzusetzen. Gleich zu Beginn fliegt Rigoletto unbeschwert durch die Luft, verliert seinen Ballon und stürzt ab. Später wird noch einmal eine Schnur durchtrennt, abermals entwischt ein Ballon, und im Riesenformat mit Korb steigt so ein Ding ebenfalls zwei Mal in die Höhe: Erst darf Rigolettos Tochter Gilda dort oben von ihrer Liebe träumen, am Ende fährt sie damit buchstäblich in den Himmel auf und lässt ihre Schärpe im Wind flattern.

Schwindelerregend, was Sänger, Stuntleute und Statisten da leisten, atemberaubend, wie Gilda hoch in der Luft baumelnd am Schwebeseil entführt wird - dafür gab´s Sonderapplaus. Insgesamt übertrieb es Philipp Stölzl allerdings ganz entschieden mit dem äußeren Aufwand und lenkte dadurch ständig Aufmerksamkeit von den Sängern ab: Affen toben herum, Hofschranzen trainieren ihren Gleichgewichtssinn, der Auftragskiller Sparafucile muss sich als Messerwerfer beweisen. Überhaupt ist fraglich, ob sich der "Rigoletto" inhaltlich für die Seebühne eignet, ist er doch ein düsteres Kammerspiel, weit weniger Spektakel als etwa eine "Turandot" oder eine "Carmen".

Sexpuppen bei "La Donna è mobile"

Beim Hit "La donna è mobile", bekannt aus der Fernsehwerbung, zeigte Stölzl jede Menge Sexpuppen, die mit ihren vielen Brüsten wie orientalische Fruchtbarkeitsgöttinnen aussahen. Das sollte als "Metoo"-Kommentar im gegenwärtigen Gender-Krieg gelten und den frauenverschlingenden Herzog von Mantua als übergriffigen Bösewicht darstellen. Doch das blieb eine kurze Episode, die nicht groß für Irritation sorgte. Die Zuschauer schienen vom Bühnenzirkus gebannt, vom Stück allerdings weitgehend unberührt geblieben zu sein. Hier fällt es selbst auf guten Plätzen schwer, jeweils die Person auszumachen, die gerade singt - psychologisch feinfühlige Charakterstudien sind da selbstredend unmöglich.

Ausbalanciertes, aber auch oberflächliches Hochglanz-Hörerlebnis

Bildquelle: Bregenzer Festspiele/Karl Forster Dirigent Enrique Mazzola wusste, worauf es in Bregenz ankommt: Deutlichkeit! Statt sich in Details zu verlieren und an Verdis melancholischer Partitur zu frickeln, bot er perfekt ausbalanciertes, aber auch etwas oberflächliches Hochglanz-Hörerlebnis. Da alle Rollen in Bregenz mehrfach besetzt sind, ist für Zuschauer im Vorhinein nicht absehbar, wer jeweils auf der Bühne steht. Hier werden die Sänger ohnehin mindestens so sehr akrobatisch wie stimmlich gefordert, sollen nicht nur bezaubern, sondern überwältigen.

Stephen Costello gab in der Premiere einen merkwürdig passiven Herzog von Mantua, Vladimir Stoyanov einen viel beschäftigten Rigoletto, der sich trotz einiger Durchhänger mehr als achtbar schlug. Mélissa Petit schaffte es als Gilda staunenswert, das Publikum zu betören, obwohl sie arg nervös herumklettern musste. Insgesamt ein technisch furioser "Rigoletto", der seine 7.000 Zuschauer täglich nicht enttäuschen wird.

Sendung: "Allegro" am 18. Juli 2019 um 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK


Informationen zu Terminen und Tickets erhalten Sie auf der Homepage der Bregenzer Festspiele.