Das Privatleben des Startenors Enrico Caruso war so schillernd und dramatisch wie die Opern, die er sang. Das zeigen zahlreiche Liebesbriefe, Telegramme, Rechnungen und andere private Dokumente aus Carusos Archiv, die derzeit vom Londoner Auktionshaus Christie's zum Verkauf angeboten werden, genau 100 Jahre nach Carusos Tod.
"Die Briefe nehmen uns mit in Carusos Gedankenwelt, als er vom Tenor aus der italienischen Provinz zum berühmtesten Sänger der Welt wurde. Und sie zeigen uns, was seine Mitmenschen über ihn dachten", sagt Thomas Venning, Chef der Abteilung "Books and Manuscripts" bei Christie’s.
Venning vergleicht Carusos Leben mit einer "emotionalen Achterbahnfahrt". Ein Brief aus dem Jahr 1897 zeigt den damals 24-jährigen Enrico Caruso als leidenschaftlichen Liebhaber. Kurz zuvor hatte er in Livorno eine Affäre mit der Sopranistin Ada Giacchetti begonnen, die beiden sangen zusammen als Alfredo und Violetta in Verdis "La Traviata".
Merkst du nicht, dass ich mein Leben geben würde, um dich bei mir zu haben?
Anschließend reiste Ada zu Ehemann und Kind, Caruso probte für eine Premiere in Mailand und schrieb: "Merkst du nicht, meine Liebe, dass ich mein Leben geben würde, um dich bei mir zu haben, dich in meinen Armen zu halten, um mich mit dir zu betrinken an der verrückten Freude des Glücks, der Liebe?"
Das Lampenfieber hielt Caruso aber nicht von seiner beispiellosen Opernkarriere ab. Zwölf Jahre lang war Caruso regelmäßig am Londoner Covent Garden Theatre zu Gast. Seinen internationalen Durchbruch feierte er 1903 an der Metropolitan Opera New York. Mehr als 850 Mal stand er dort auf der Bühne. Auf dem Höhepunkt seines Ruhms legten ihm die Chefs der Met anstatt eines Honorars einfach einen Blanko-Scheck hin, den er selbst ausfüllen sollte. Kein Wunder, dass Enrico Caruso Unmengen für Wohnungen, teure Kleidung, luxuriöse Hotelsuiten und Schmuck ausgab.
Wir haben fürchterliche, beschämende Dinge gehört. (...) Hast du nicht schon genug Skandale verursacht?
Enrico Caruso ignorierte den Brief – und heiratete Dorothy Park Benjamin. Eine Rippenfellentzündung bereitete seiner Karriere ein jähes Ende. 1921 starb Caruso im Alter von 48 Jahren in Neapel. Sein Leichenzug wurde von mehreren tausend Menschen begleitet.
Enrico Caruso hatte sein Privatarchiv kurz vor seinem Tod an seinen Freund Antonino Perrone fu Antonio übergeben, im Mai 1921. Er vertraute darauf, dass Perrone die Schriftstücke von der Öffentlichkeit fernhielt. Sein Freund hielt sein Versprechen. Selbst Carusos Sohn wusste nichts von den Dokumenten, als er 1990 sein Buch "Enrico Caruso: My Father and My Family" schrieb.
Erst 2014 kam Carusos Archiv ans Tageslicht, als es bei Christie’s zur Versteigerung angeboten wurde. Damals wurde der Wert der Dokumente auf mindestens 250.000 Britische Pfund geschätzt. Wieviel der Verkauf der 1.300 Stücke aus Carusos Archiv jetzt einbringt, wird sich zeigen.
Sendung: "Allegro" am 1. Februar 2021 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK