Von der Corona-Krise sind viele freischaffende Künstler besonders hart betroffen. Musiker können nicht mehr auftreten und stehen plötzlich ohne Einnahmen da. Die Corona-Soforthilfe von Bund und Ländern unterstützt da nur bedingt. In Bayern gingen die Künstler zumindest bislang nahezu leer aus. Allerdings gibt es jetzt Grund zur Hoffnung.
Your browser doesn’t support HTML5 audio
"Es trifft mich frontal", erzählt Stefan Schneider. Wie dem Münchner Klarinettisten geht es den meisten freischaffenden Künstlern in der Corona-Krise: Keine Konzerte, kein Geld. "Was meine finanziellen Einnahmen angeht, bin ich auf null - und das seit Mitte März." Für Solo-Selbstständige wie Stefan Schneider gibt es die Corona-Soforthilfe von Bund und Ländern. Nur: für freischaffende Künstler stehen die Chancen bislang schlecht, davon auch wirklich zu profitieren.
"Ich hab mich im Vorfeld erkundigt - bei einem Rechtsanwalt, bei meiner Steuerberaterin und bei verschiedenen Kollegen", erzählt Peter Tilling, Dirigent und Leiter des Ensembles risonanze erranti. Er ist verunsichert, inwieweit die Corona-Soforthilfe für freischaffende Künstler wie ihn überhaupt zutrifft. Die Ratschläge, die Tilling bekommen hat, waren unterschiedlich: beantragen ja oder nein? Schließlich hat er sich dazu entschlossen, es zu probieren. "Einfach, um es gemacht zu haben", sagt er.
Die Notwendigkeit ist absolut da.
Als betriebliche Ausgaben konnten Musiker die Miete von Proberäumen geltend machen oder die Wartung des Instruments. "Dagegen“, so bestätigte eine Sprecherin des Bayerischen Wirtschaftsministeriums BR-KLASSIK, "können Kosten des privaten Lebensunterhalts wie die Miete der Privatwohnung oder Krankenversicherungsbeiträge sowie ausfallender Gewinn nicht durch die Soforthilfe abgedeckt werden." Freischaffende Musiker leben aber von Konzerthonoraren.
Bayern ist ein Kulturstaat und wir wollen die Künstler nicht alleine lassen.
Am Montag sagte Ministerpräsident Markus Söder in seiner Regierungserklärung, dass nun auch in Bayern soloselbständige Künstler mit monatlich 1.000 Euro unterstützt werden sollen - zunächst für drei Monate. Dabei betonte Söder, dass Bayern ein Kulturstaat sei, der seine Künstler nicht allein lasse. Die Hilfe erhalten alle Künstler, die in der Künstlersozialversicherung Mitglied sind und eidesstattlich versichern, durch die Corona-Krise "im Bereich der Liquidität schlecht gestellt" zu sein.
Wer kann das neue Künstlerhilfsprogramm in Anspruch nehmen?
Bayerische soloselbständige Künstlerinnen und Künstler, die in der Künstlersozialkasse organisiert sind.
Wann startet die Unterstützung?
Laut dem Bayerischen Kunstministerium werden die Fördergrundsätze derzeit unter Hochdruck erarbeitet und zeitnah auf der Homepage des Ministeriums bekanntgegeben.
Wo kann der Antrag gestellt werden?
Beantragt werden kann die Förderung bei den Regierungsbezirken und der Landeshauptstadt München.
Wann erfolgt die Auszahlung?
Aktuell betrage die Wartezeit nach Antragstellung siebe Tage bis zwei Wochen, so Minister Sibler.
Was muss nachgewiesen werden?
Ähnlich wie bei den Wirtschaftsförderprogrammen ist der Antrag knapp gehalten. Eine eidesstattliche Versicherung per Unterschrift soll als Nachweis für einen Liquiditätsengpass genügen.
Wie lange wird die Unterstützung gezahlt?
Geplant sind aktuell drei Monate.
Und da zählen neben Geld auch Aktien dazu, Lebensversicherungen, Bausparverträge, Altersversorgungen wie Riesterrenten, Wohneigentum, Autos und Wertgegenstände wie Schmuck. Immerhin eine gute Nachricht für Musiker gibt es. Laut Fachberater Ringo Gruchenberg vom Jobcenter München werden Instrumente nicht bei der Vermögensprüfung berücksichtigt, solange sie für die selbständige und künstlerische Tätigkeit nötig sind.
Es ist nicht richtig, da nur Hartz-IV als Alternative anzubieten.
Die wenigsten Freischaffenden Künstler haben diese Grundsicherung bislang beantragt, sagt Carola Kupfer vom Bayerischen Landesverband für Kultur- und Kreativwirtschaft. "Von den vielen, die das betrifft, sind schätzungsweise 70% überhaupt nicht bereit, das zu beantragen", berichtet sie von dem Feedback, das der Verband bekommt. Das habe auch weniger finanzielle Gründe als vielmehr psychologische. "Da ist ein Künstler über Jahre, vielleicht Jahrzehnte erfolgreich in seinem Beruf, und jetzt kommt etwas unverschuldet, eine Katastrophe wie Corona. Und nun soll er praktisch ins soziale Abseits gedrängt werden? Das geht nicht." Das gab auch Markus Söder am Montag bei der Pressekonferenz zu: "Ganz ehrlich: Ich finde, dass es nicht richtig ist, da nur Hartz-IV als Alternative anzubieten."
Seit Söders Ankündigung vom Montag wird diese Alternative für Künstlerinnen und Künstler wohl nicht mehr nötig sein. Unabhängig davon können freischaffende noch Hilfe beantragen bei der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL) oder auch bei der Deutschen Orchester Vereinigung. Auch die Deutsche Orchesterstiftung hat Spenden gesammelt, um freischaffende Musiker zu unterstützen.
Das sind Tropfen auf den heißen Stein.
"Die 250 Euro von der GVL habe ich gleich in Anspruch genommen", erzählt Klarinettist Stefan Schneider: "Das hat sehr unbürokratisch und schnell funktioniert." Die GVL ziehe sogar Ausschüttungen vor, habe also sehr genau das Problem der freischaffenden Künstler verstanden. Die anderen Hilfen hat Schneider nicht beantragt. Er weiß, dass die zu Verfügung stehenden Summen bei weitem nicht ausreichen, um alle Betroffenen zu unterstützen. "Das, was da reingeht, sind Tropfen auf den heißen Stein". Umso größer ist nun die Hoffnung, dass die von Markus Söder zugesagte Unterstützung von Künstlern auch über die Dauer von drei Monaten hinaus gelten wird - zumindest solange, bis der Konzertbetrieb wieder aufgenommen werden kann. Und vielleicht kann die Unterstützung, wie sie in Baden-Württemberg und nun auch Bayern umgesetzt werden, auch Vorbild für die anderen Bundesländer sein.
Die Deutsche Orchestervereinigung (DOV) appelliert an Bund und Länder, die bestehenden Soforthilfe-Programm der Lebenssituation freischaffender Musikerinnen und Musiker anzupassen. Diese fielen bei den meisten Programmen durch das Raster, heißt es in einer Pressemitteilung vom 21. April, "weil die Hilfen an betriebliche Belastungen wie Mieten, Leasingraten und andere Sachkosten gekoppelt oder inzwischen erschöpft sind". So fordert Gerald Mertens, Geschäftsführer der DOV, freischaffenden Künstlerinnen und Künstler nicht auf die Grundsicherung zu verweisen: "Um ihre wirtschaftliche Existenz zu sichern, ist es notwendig, zum Beispiel den aktuellen Umsatzeinbruch zum Maßstab der Soforthilfe zu machen."
Die Bayerische Staatsreguierung hat die Hilfen nun ausgeweitet: Auf einer Pressekonferenz am 14. Mai 2020 haben Ministerpräsident Markus Söder und Kunstminister Bernd Sibler einen "Rettungsschirm" für Kunst und Kultur vorgestellt. Unterstützung sollen nach dieser neuen Regelung nicht nur Mitglieder der Künstlersozialkasse (KSK) abrufen können, sondern alle, die KSK-Berufen nachgehen, auch wenn sie nicht Mitglied sind. Auch kleine Theater und Musikschulen sollen Geld bekommen. Mehr Informationen bei BR24.
Sendung: "Allegro" am 21. April 2020 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK