Ohne Coronatest ist Orchesterarbeit derzeit nicht möglich. Denn schließlich arbeiten hier mehrere Menschen gemeinsam im gleichen Raum. In vielen Orchestern wird darüber teils hitzig diskutiert. Ein Mitglied des Bayerischen Staatsorchesters klagt jetzt gegen seinen Arbeitgeber, weil es sich nicht testen lassen will und ohne Gehalt vom Dienst freigestellt wurde. Noch ist die Klage bundesweit ein Einzelfall – nicht aber die Weigerung von Musikern, sich testen zu lassen.
Ohne Coronatests kann während der Pandemie kein Orchester spielen. Die meisten Musikerinnen und Musiker lassen sich auch bereitwillig testen. Dennoch gibt es in fast allen Orchestern einige, die Tests verweigern. Das bestätigt auch Gerald Mertens von der Deutschen Orchestervereinigung (DOV). Was, wenn ein Testverweigerer mitten im Orchester sitzt? Ist dieses Verhalten unkollegial? Darüber wird in vielen Orchestern derzeit hitzig diskutiert. Mertens kann Kritik an den verpflichtenden Tests nachvollziehen. Gerade weil es sich um Tätigkeiten handele, die eine besondere Atemtechnik erfordern, hätten manche Sängerinnen und Bläser die Befürchtung, dass durch einen PCR-Test quasi ein Eingriff vorliege: "Solche Sorgen gibt es halt, und die muss man eben auch ernst nehmen", so Mertens.
Die Hauptfrage bei den Testungen ist ja: Ich entscheide nicht nur für mich selbst, sondern ich entscheide auch für die anderen.
Die Bezahlung ist strittig. Seit dem 20. April 2021 müssen Arbeitgeber ihren Mitarbeitern zwei Tests pro Woche zur Verfügung stellen. So sieht es die Verordnung von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil vor.
Das deutsche Arbeitsrecht kennt keine Testpflicht. Insofern kann das vom Arbeitgeber in der Regel auch nicht einseitig angeordnet werden.
Mit den Testungen gehen die Orchester ganz unterschiedlich um. Bei den Münchner Philharmonikern wird anonym und freiwillig getestet, und zwar von medizinischem Fachpersonal. Bei den Klangkörpern des Bayerischen Rundfunks gibt es keine Testverweigerer.
Wenn von 80 Leuten einer nicht mitmacht, ist das ganze System gefährdet. Es geht nicht nur um Individuelles, sondern auch um Gesamtheitliches.
Der Intendant der Bayerischen Staatsoper, Nikolaus Bachler, appelliert an alle Musikerinnen und Musiker des Bayerischen Staatsorchesters, sich testen zu lassen. Zwar hätten Menschen unterschiedliche Einstellungen zum Leben, die respektiert werden müssten. In der jetzigen Situation jedoch müsse man schauen, wie ein Weg gefunden werden könne, der alle schützt. Es gehe nämlich nicht nur um Individuelles, sondern auch um Gesamtheitliches, so Bachler.
Die Musiker des Bayerischen Staatsorchesters halten derzeit bei den Proben und digitalen Konzerten den Mindestabstand von zwei Metern ein. Allerdings wollen sie bald wieder im Graben spielen, wo sie enger zusammensitzen. Auch Aufführungen vor Publikum stehen demnächst an. Ohne Coronatests für alle könnte das schwierig werden.
Sendung: "Leporello" am 6. Mai 2021 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK