Der junge Gottfried von Einem, einst selbst Hitler-Anhänger, begeisterte mit dieser aufrüttelnden Oper gegen Diktatur und verblendete Schreihälse 1947 die Salzburger Festspiele. Günter Krämer inszenierte am Münchner Gärtnerplatztheater beklemmend aktuell. Am 11. Oktober war Premiere.
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Es wird viel gebrüllt in dieser Oper, eigentlich nur gebrüllt, als ob alle Beteiligten gegen den ohrenbetäubenden Lärm der Geschichte ansingen. Tatsächlich begann der junge Komponist Gottfried von Einem sein Werk unmittelbar nach dem Attentat auf Hitler im Sommer 1944. Fertiggestellt wurde "Dantons Tod" dann während der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse, zwei Jahre später. Erst interessierte sich der "Großdeutsche Rundfunk" der Nazis für diesen Stoff, der an der Semperoper in Dresden auf die Bühne kommen sollte, dann war die Uraufführung schließlich im Sommer 1947 bei den Salzburger Festspielen, die damals noch mitten in Elend und Not stattfanden. In der Stadt gab es genauso viele Flüchtlinge wie Einwohner, alle waren sie Überlebende. Deshalb traf Gottfried von Einem den Nerv der Zeit, denn in dieser knapp zweistündigen Oper geht es, wie der Titel schon sagt, nicht um Revolution und Fortschritt, nicht um Politik und Utopien, sondern ums Sterben, Leiden, Todesangst und Verzweiflung.
Günter Krämer und sein Ausstatter Herbert Schäfer zeigten das alles als eisige Versuchsanordnung im Stil von Bertolt Brecht, nur ohne Gardine, dafür mit Gaze-Vorhang. Auf der Bühne dreht sich eine Leuchtwand wie im Fußballstadion, blendend hell die Buchstaben darauf, geradezu gleißend der Text von Georg Büchner, bis die Augen tränen. Davor ein langer Tisch, an dem gefeiert, gehurt, gerichtet und gemordet wird. Die Angeklagten sämtlich in Unterhosen, dicht aneinandergedrängt, zitternd vor Angst. Der Ankläger in roter Robe mit einem Stapel Akten. Ein Bürokrat an der Todesmaschine. Harte, unerbittliche, niemals peinliche Bilder für eine nervenaufreibende Leichenschau im Seziersaal des 20. Jahrhunderts. Lernen lässt sich aus "Dantons Tod" nichts, denn Gottfried von Einem nimmt erklärtermaßen keine Stellung, moralisiert nicht, das war 1947 nicht mehr "in Mode". Er selbst war erst begeisterter Hitler-Fan, dann angepasster Mitläufer, schließlich österreichischer Pessimist. Und vom früh verstorbenen Textdichter Georg Büchner lässt sich auch nicht gerade behaupten, dass er Zuversicht verbreitete.
"Dantons Tod"
Oper
Musik von Gottfried von Einem
Libretto frei nach Georg Büchner eingerichtet von Boris Blacher und Gottfried von Einem
München, Gärtnerplatztheater
Informationen zu Terminen und Vorverkauf finden Sie auf der Homepage des Theaters.
Sendung: "Allegro" am 12. Oktober 2018 ab 06:05 auf BR-KLASSIK