Zwei Kontinente, ein Projekt: In Namibia soll bald die erste Nationaloper uraufgeführt werden. Mitwirkende aus Namibia und Deutschland, deren Länder durch eine grausame Kolonialgeschichte miteinander verbunden sind, wollen diese in der Gegenwart aufarbeiten. Die Proben finden auch in München statt.
Über Musik lernen sich Menschen kennen, die sich sonst vielleicht nie getroffen hätten. Besonders spannend wird es, wenn die Begegnung zwei völlig verschiedene Kulturen verbindet. So ging es der deutschen Regisseurin Kim Mira Meyer und dem namibischen Komponisten Eslon Hindundu. Bei einem Opernprojekt in Immling (Chiemgau) lernten sie sich kennen und planen nun ihr erstes gemeinsames Projekt: Sie wollen Namibias erste Oper auf die Bühne bringen.
Derzeit probt das Team in München. Auf dem Programm an diesem Tag: Improvisationstraining mit Regisseurin Kim Mira Meyer. Die Sänger Galilei, Sakhiwe und Yonwaba sitzen auf drei Stühlen in ihrem imaginären Auto und fahren gerade zum Fleischmarkt in Windhoek. Obwohl die Szene nicht zur Oper gehört, schlüpfen die drei in ihre Rollen. Das helfe, die Figuren zu verinnerlichen und weiterzuentwickeln, erklärt Regisseurin Kim Mira Meyer: "Das Spannende ist ja, das wir eine Oper uraufführen. Das bedeutet, dass die Sänger und Sängerinnen sich einbringen und Impulse geben können."
Mit meiner Oper will ich wieder ein Gefühl für unsere eigene Geschichte wecken.
In Hindundus Kompositionen mischen sich traditionelle afrikanische Klänge mit westlicher Musik. Als Kind ist er in einer musikalischen, europäisch geprägten Kirchengemeinde groß geworden, wo er viel gesungen hat. Mit dem Nationalen Jugendchor von Namibia war er als Jugendlicher auf Konzerttourneen in Europa und Amerika. Dort hat er auch seine erste Oper gesehen - eine Erfahrung, die ihn nicht mehr losgelassen hat. "Das Schauspiel, der Gesang, die Bühnentechnik, das Orchester – und wie alles ineinandergreift und so wunderbare Musik herauskommt. Das war einfach so bewegend! Ich hab sofort gedacht: Wow, das ist etwas, was ich unbedingt machen muss!"
Im Herbst 2022 soll Hindundus Oper in Windhoek uraufgeführt werden, ein Jahr später auch in München. Bis dahin bleibt noch Zeit, um in intensiven Projektphasen – mal in München, mal in Windhoek – zusammenzuarbeiten und die kulturellen Eigenarten der jeweils anderen kennenzulernen. Während in Deutschland alles verschriftlicht werden muss, verlässt man sich in Namibia eher auf mündliche Kommunikation, erzählt Regisseurin Kim Mira Mayer: "Gerade wenn es darum geht, über Grenzen hinweg etwas zu organisieren, braucht man hier in Deutschland oft bürokratisch Texte und Unterschriften, was oft zu Komplikationen führt. Aber als wir dann in Windhoek waren und miteinander gesprochen haben, ging alles so schnell und so einfach und unkompliziert, was natürlich auch total schön ist."
Sendung: "Allegro" am 9. Dezember 2021 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK