Kritik - "Die Faschingsfee" am Münchner Gärtnerplatztheater
Hunger und gute Laune
17.02.2017 von Peter Jungblut
Der Fasching boomt, wenn die Zeiten trist sind: In München spielt Emmerich Kálmáns "Faschingsfee" im Hunger- und Kriegs-Winter 1917: Anlässlich des 100. Geburtstags der Operette bringt der Intendant des Gärtnerplatztheaters Josef E. Köpplinger das Werk auf die Bühne.
Bildquelle: © Marie-Laure Briane
Rübensuppe und Eichhörnchen
Der Fasching scheint schon immer reichlich widersprüchlich gewesen zu sein: Emmerich Kálmán schrieb seine Operette "Die Faschingsfee" ausgerechnet 1917, mitten im Ersten Weltkrieg, als es außer Rübensuppe, Dachsfleisch und Eichhörnchen wenig zu beißen gab: So wenig, dass Kálmán in Berlin einen Menschenauflauf verursachte, weil er in seinem Hotelzimmer ungarische Würste ans Fenster gehängt hatte, um sie kühl zu halten.
Dem Schicksal ein lustiges Gesicht zeigen
Bildquelle: © Marie-Laure Briane
Genau in diese triste Hunger-Zeit verlegte Regisseur und Intendant Josef Köpplinger vom Münchener Gärtnerplatztheater gestern Abend seine Inszenierung der "Faschingsfee". Ein schwermütiges Ballett aus Soldaten und Rotkreuz-Schwestern ließ rote Luftballons steigen, fast schon Totentanz-Atmosphäre. Und tatsächlich hat der echte, der traditionelle Fasching ja viel mit Vergänglichkeit und Untergang zu tun. Am Aschermittwoch ist bekanntlich alles vorbei, und vorher zeigen die Narren dem Schicksal ein lustiges Gesicht. Offensichtlich hatten die Zuschauer bei der Uraufführung überhaupt kein schlechtes Gewissen, in der Operette zu sitzen, während an der Front Soldaten starben. Gerade weil das Leben so gefährdet war, stürzten sich diejenigen, die es sich leisten konnten, in den Fasching.
Die Premiere in Bildern.
"Mein Hunger ist schon tot"
Köpplinger schaffte es einmal mehr eindrucksvoll, diese morbide Stimmung einzufangen, die taumelnde damalige Gesellschaft zu zeigen, die selbst in der Sintflut einfach die Füsse hochzieht. Dagmar Morell hatte prachtvolle historische Kostüme entworfen. Die Bühnenbildner Karl Fehringer und Judith Leikauf ließen sich vom etwas verblichenen, aber immer noch eleganten Charme der alten Münchner Kongresshalle auf der Theresienwiese inspirieren. Ein Gebäude aus dem Jahr 1952, mit Holzvertäfelung, Fliesenmosaiken und Freitreppe, wie es eben direkt nach dem Krieg schick war. Mitten in dieser einstigen Messe-Arena saßen die Zuschauer, darunter ein paar wenige schüchtern Verkleidete, rund um eine Künstlerkneipe des Jahres 1917. Ein Telefon und ein Theaterplakat an der Wand, eine Schwingtür, viele leere Tische, draußen Schneegestöber. Aufgetragen wird außer einer Flasche Champagner wenig - "mein Hunger ist schon tot", sagt einer der Künstler.
Wenn der Fasching ernst wird
Bildquelle: © Marie-Laure Briane
Es bleibt also viel Platz für Liebesdramen, die in der "Faschingsfee", wie im richtigen Karneval, nicht alle gut ausgehen. Camille Schnoor war in der Titelrolle eine so weltläufige wie wehmütige Fürstin. Daniel Prohaska gab sehr gefühlvoll und authentisch den armen Maler Viktor Ronai, der ihr Herz erobert. Auch alle anderen Mitwirkenden waren über zwei Stunden hinweg sehr unterhaltsam, aber eben auch anrührend, und vor allem glaubwürdig bei der Sache. Dirigent Michael Brandstätter legte einen melancholischen Schatten über Kálmáns Musik, was perfekt zur Inszenierung passte. Ob unsere heutige Überfluss- und Friedensgesellschaft damit noch viel zu tun hat, das sei dahingestellt. Womöglich muss diese "Faschingsfee" als Mahnung verstanden werden. Bringen Sie sich also in Sicherheit, wenn der Fasching eines Tages wieder ernst genommen wird!