Knapp ein Drittel der freien Musikschaffenden aus Berlin sieht im Musikerberuf keine Perspektive mehr. Das ergab eine Umfrage des Landesmusikrats Berlin. Viele haben ihren Beruf bereits aufgegeben oder sind dabei, sich neu zu orientieren. Ein Kongress soll nun auf die zerbrechlichen Lebensentwürfe von Künstlerinnen und Künstlern aufmerksam machen.
Keine Konzerte, keine Einnahmen, ungewisse Zukunft: Vor allem freischaffende Musikerinnen und Musiker trifft die Coronakrise hart. Das ergab eine Umfrage des Landesmusikrats Berlin, die am 25. Januar veröffentlicht wurde.
Demnach sehen 29 Prozent der befragten Musikerinnen und Musiker keine berufliche Perspektive mehr. Sie planen einen Berufswechsel oder haben bereits einen anderen Beruf ergriffen. Knapp die Hälfte (47 Prozent) der Befragten benötigt jetzt finanzielle Unterstützung und hoffe, die berufliche Existenz in diesem Jahr wiederaufzubauen. Nur ein Fünftel der Musikschaffenden sieht positiv in die Zukunft und benötigt keine Unterstützung.
An der Umfrage des Landesmusikrates beteiligten sich 485 Berliner Musikschaffende, von denen ein Drittel ausschließlich künstlerisch tätig ist und zwei Drittel auch Musikunterricht gaben oder geben. Knapp zehn Prozent haben Nebeneinkünfte aus anderen Tätigkeiten.
Die Coronakrise macht deutlich, wie fragil die Lebensentwürfe vieler Künstlerinnen und Künstler sind. Viele hangeln sich von einem befristeten Projekt zum nächsten, haben keine Planungssicherheit und fahren mehrgleisig, um ihren Lebensunterhalt zu sichern.
Das Bewusstsein für die Produktionsverhältnisse und Lebensweisen im Kultursektor sind gering, das müssen wir ändern.
Die parallele Arbeit in verschieden Sektoren und mit wechselnden Funktionsbezeichnungen macht es für Behörden und Förderinstitutionen schwierig, die tatsächliche Lebenssituationen zu erfassen. Das Ergebnis: Viele Musikerinnen und Musiker fallen bei Förderanträgen durchs Raster oder bewerben sich erst gar nicht, weil die Antragsverfahren andere Lebensentwürfe nahelegen.
Eingeladen sind unter anderem die Gewerkschaft Verdi, der Tonkünstlerverband Berlin und die Deutsche Orchestervereinigung. Sie sollen mit politisch Verantwortlichen darüber reden, wie den Betroffenen in der Krise besser geholfen werden kann und welche Perspektiven es für sie nach der Pandemie gibt. Auch betroffene Musikerinnen und Musiker werden an der Konferenz teilnehmen und auf ihre Probleme aufmerksam machen.
Wir brauchen die Kultur als eine Form der gesellschaftlichen Daseinsvorsorge.
"Es darf nicht sein, dass wir uns als Gesellschaft, wenn es uns gut geht, an der Kunst erfreuen und sobald es knapp wird sagen, Pech gehabt," so Hella Dunger-Löper. Darum sei es so wichtig, mit Betroffenen und der Politik über den Zugang von Musikerinnen und Musikern zur Arbeitslosenversicherung und Altersabsicherung zu reden. Auch ein Kulturfördergesetz könne helfen. "Wir brauchen die Kultur, das steht außer Frage, als eine Form der gesellschaftlichen Daseinsvorsorge."