20 Jahre warten, weben und weinen: Die Frau des Odysseus versauert auf Ithaka, während ihr Mann Abenteuer besteht. So wollte es Homer nun mal. In der Opern-Fassung von Gabriel Fauré überzeugt das nicht: Selten schien der Klassiker so fremd und fern. Corinna Tetzels Inszenierung der "Pénélope" an der Oper Frankfurt blieb blass, doch die Dirigentin Joana Mallwitz holte alles aus der Partitur, was möglich war – und sogar noch mehr.
Geht natürlich heute gar nicht mehr: Eine Frau, die zwanzig Jahre auf ihren vermissten Mann wartet und sich die Zeit unterdessen Tag für Tag mit Weben und Weinen vertreibt, obwohl jede Menge fesche Kerle bereitstehen. Was in der Antike noch als Zeichen von ehelicher Treue galt, würde heute wohl eher belächelt oder gar therapiert – eine Frau, die solange nicht in der Lage ist, einen Verlust zu verarbeiten, keinen Neuanfang hinbekommt, beziehungsunfähig bleibt, die dürfte jedenfalls bei den allermeisten kein leuchtendes Vorbild mehr sein.
In Frankfurt hat sich die Frau äußerlich perfekt der Männerwelt angepasst, trägt schwarzen Anzug und weiße Bluse, läuft rum wie eine Führungskraft aus irgendeinem Banken-Hochhaus. Ist also gleichsam unsichtbar zwischen all den Jung-Managern, die sich auf Ithaka zum Teambuilding mit Saufen und Raufen treffen. Bühnenbildner Rifal Ajdarpasic machte das triste Dach eines Strandbungalows zum Schauplatz der Geschichte: Ein paar Treppenabgänge, eine rostige Satellitenschüssel, herumstehende Weinkisten, billige, kunststoffbespannte Gartenstühle.
Insgesamt eine schäbige Ecke mit einer allerdings überraschenden Aussicht: Weißes Rauschen ist am Horizont zu sehen, also das Flimmern wie bei einem Fernseher, der keinen Empfang hat. Das hatte Witz, zumal davor ein paar öde Zypressen in die Höhe ragten. Vom tröstlichen Meer, vom beschaulichen Strand war in diesem Fall also wirklich nichts übriggeblieben.
Allerdings ergaben sich damit auch ein paar Fragen, die leider in den zweieinhalb Stunden nicht beantwortet wurden. Warum haust eine Königin wie Penelope in dieser schäbigen Umgebung, warum sieht sie aus wie eine coole, durchsetzungsstarke Spitzenkraft der Finanzbranche und vergammelt trotzdem auf dieser deprimierenden Dachterrasse? Auch das Interview mit der Regisseurin im Programmheft war dazu leider wenig erhellend.
Während sich die Inszenierung also recht unentschlossen und voller Rätselbilder dahinschleppte, blieb auch die Musik von Gabriel Fauré so "steif und statisch", wie dem Komponisten selbst sein Werk vorkam. Zwischen Wagner, Debussy und Massenet konnte er sich nicht so recht entscheiden, so dass weder die Fans von impressionistischer Blumigkeit, noch die Anhänger von spätromantischem Furor so recht auf ihre Kosten kamen. Es hat schon seinen Grund, warum es Fauré als Opernkomponist schwer hat, zumal er für diese "Pénélope" wegen Arbeitsüberlastung geschlagene fünf Jahre brauchte, was dem Werk nicht gerade viel innere Spannung verlieh. Bei der Instrumentation ließ sich der Meister teilweise von einem Schüler helfen, auch das war zu hören.
Informationen zu Vorverkauf, Terminen und Besetzung erhalten Sie auf der Homepage der Oper Frankfurt.
Sendung: "Leporello" am 2. Dezember 2019 um 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK