Schon zweimal hat der Schauspieler und Regisseur Axel Ranisch an der Bayerischen Staatsoper inszeniert. Jetzt hat sich er für die Münchner Opernfestspiele Joseph Haydns selten gespieltes Ritterdrama "Orlando Paladino" vorgenommen. Am 23. Juli war Premiere im Prinzregententheater. Ranisch macht am liebsten Oper für alle, wie er im Programmheft schreibt – "am liebsten für all jene, die vom Zauber der Oper noch geküsst werden wollen". Ob er das Stück deswegen in einem Kino spielen ließ? Das Publikum war jedenfalls hingerissen.
Spätestens nach 45 Minuten, wenn der Popcorn-Automat explodiert, strecken die letzten Zuschauer die Waffen und lassen sich hineinfallen in diesen musikalisch-szenischen Zauber-Abend, der schon in der bebilderten Ouvertüre für Lacher sorgt. Joseph Haydns "Orlando Paladino" spielt in einem alten Programmkino – das Neue Rex in Münchnen-Laim gibt das Vorbild ab. Regisseur Axel Ranisch versieht die ohnehin schon höchst unübersichtliche Geschichte des heroisch-komischen Ritterstücks noch mit einer Rahmenhandlung. Aber wie er das macht, bringt das Publikum zum Rasen.
Der Liebeswahn bringt alle aus der Spur, lässt sie laufend falsche Entscheidungen treffen, hält sie in einem Gefühlskreisel gefangen. Haydn hat sich dafür große, schmerzlich schöne Musik einfallen lassen – und die Bayerische Staatsoper bietet ein Weltklasse-Ensemble auf. An der Spitze: Adela Zaharia. Die rumänische Sopranistin gibt auf der Leinwand eine überzeugende Stummfilm-Diva – und betört mit stupenden Koloraturen und leuchtender Emphase.
Im zweiten Akt ist vom Kinosaal nicht mehr viel übrig: zwei Barhocker, ein paar umgestürzte Sessel – und dazu ein totes Pferd, Ritterrüstungen und müde Krieger. Baumstämme, die wie Scherenschnitte wirken, markieren eine zerstörte Natur. Im Schlussakt stehen ein demoliertes Kassenhäuschen und eine abgeräumte Theke in einem sonst leeren, schwarzen Raum. Der Boden ist mit kohleartigem Gestein bedeckt. Und ausgerechnet da finden sich die richtigen Paare zusammen – oder nicht? Immer wieder gruppieren sich die Beteiligten um, während sie in den Schlussjubel einstimmen. Egal. Soll doch jeder den lieben, den er lieben will ...
Dieser beglückende Abend wird zum Triumph auch für das zart, einfühlsam und überaus farbig begleitende Münchener Kammerorchester unter der Leitung von Ivor Bolton. Ein Jubelsturm erstickt die drei Buhs fürs Regieteam.
"Orlando Paladino"
Dramma eroicomico in drei Akten von Joseph Haydn bei den Münchner Opernfestspielen 2018
München, Prinzregententheater
Musikalische Leitung: Ivor Bolton
Inszenierung: Axel Ranisch
Details zu Vorverkauf und weiteren Terminen auf der Homepage der Staatsoper
Sendung: "Allegro" am 24. Juli 2018 ab 6:05 Uhr in BR-KLASSIK