Seit ihrer Gründung im Jahr 2000 eröffnen die Herrenchiemsee Festspiele traditionell mit Musik von Johann Sebastian Bach. So hat es der vor vier Wochen verstorbene Initiator und Intendant, Enoch zu Guttenberg, auch für dieses Jahr vorgesehen. Das Motto der Festspiele lautet 2018 "Europa". Jetzt widmen sie sich außerdem ganz dem Gedenken Enoch zu Guttenbergs.
Zum Motto "Europa" passt gerade in der aktuellen gesellschaftlichen und politischen Debatte der christliche Aspekt besonders gut. Die Kantaten "Aus der Tiefe ruf ich zu Dir", "Ich hatte viel Bekümmernis" und "Es erhub sich ein Streit" zeigten treffend, so meinte Enoch zu Guttenberg noch im Frühjahr im Rahmen einer Pressekonferenz, "wie es in Europa ausschaut. Nur mit dem großen Unterschied, dass bei Bach die Kantaten immer mit Hoffnung und nicht mit Resignation enden".
Wenn jetzt, nach Enoch zu Guttenbergs plötzlichem Tod vor vier Wochen, die Bach-Kantaten zur Eröffnung im Münster Frauenchiemsee erklingen, dann auch mit der Hoffnung auf das Fortbestehen der Herrenchiemsee Festspiele – und für die Zukunft der Ensembles, die er hinterlassen hat: die Chorgemeinschaft Neubeuern, das Orchester der KlangVerwaltung und den Kammerchor der KlangVerwaltung. Als Persönlichkeit und Intendant ist Guttenberg nicht zu ersetzen. Kurzfristig hat Josef Kröner, der geschäftsführende Programmdirektor, die kommissarische Leitung in dieser emotional angespannten Situation übernommen und sichergestellt, dass die Festspiele 2018 in angemessenem Rahmen stattfinden können.
Dieses Programm war eine Herzensangelegenheit von Enoch zu Guttenberg, da es die emotionale Feinfühligkeit des Neubeurer Chors herausstellt.
Für die Bach-Kantaten im Frauenmünster auf der Fraueninsel wird Andrew Parrott einspringen. Beethovens "Neunte" wird Roberto Abbado dirigieren, der auch schon mehrfach am Chiemsee zu Gast war. Das Veneta-Konzert schließlich wird Karl Prokopetz übernehmen. Ein Glücksfall, sagt Josef Kröner, weil er speziell an diesem Projekt bereits vor vielen Jahren beteiligt war, bei der Einspielung für eine CD.
Den Hoffnungsgedanken aus Bachs Kantaten benötigt es für ein erfolgreiches Fortleben der Festspiele Herrenchiemsee. Denn nach dem seit 2012 allmählichen Rückzug und inzwischen kompletten Ausstieg des Hauptsponsors Deutsche Bank übernahm der Freistaat rund 55 Prozent der Kosten. Nach den Festspielen heißt stets vor den Festspielen. Zukunftsplanung ist Pflicht.
Wir werden überlegen müssen, wie es mit uns weitergeht.
Doch wie steht es um die Zukunft des eigens für Enoch zu Guttenberg von Andreas Rainer und Josef Kröner 1997 gegründeten Orchesters der KlangVerwaltung, sozusagen als ein Spielplatz für Guttenbergs Ideen und Intensionen?
Das sei eine schwierige Frage, sagt Kröner, weil Enoch zu Guttenberg einfach eine einzigartige Figur gewesen sei. "Es hat unheimlich Freude bereitet, mit Gästen zu arbeiten, wenn man wusste, er kommt wieder. Jetzt, wo er nicht mehr kommt, werden wir uns überlegen müssen, wie es mit uns weitergeht. Wir werden die Festspiele jetzt dazu nutzen, gemeinsam zu überlegen, ob es einen Weg in die Zukunft gibt." Und Kröner versichert, dass mit bereits getroffenen Verpflichtungen verantwortungsvoll umgegangen werde.
Die langjährigste Verbindung Guttenbergs bestand zu der 1967 gegründeten Chorgemeinschaft Neubeuern. Und wohl auch eine besonders starke emotionale Verbindung: Enoch zu Guttenberg sei damals ja extra nach Neubeuern gezogen, erklärt Kröner: "Und als er eben da erschien, hat sich in dem Dorf auch alles verändert. Und natürlich ist die emotionale Verbindung des Chores zu ihm auch noch einmal eine ganz andere Situation." Deshalb tue Kröner sich schwer, diesbezüglich eine Prognose abzugeben. "Ich denke, der Chor selbst wird relativ zeitnah sagen, wie es mit ihm weitergeht."
Die Herrenchiemsee Festspiel 2018 laufen vom 17. bis 29. Juli 2018 auf der Fraueninsel und Herrenchiemsee. Hier finden Sie nähere Infos.