Ida Haendel war eine Jahrhundertgeigerin. Sie war ein Wunderkind, lernte schon mit drei Jahren Geige, spielte mit den großen Dirigenten, nahm hervorragende Schallplatten auf – und war auch Lehrerin von David Garrett. Nun ist sie im Alter von 91 Jahren gestorben.
Schönheit war ihr wichtig. Bis ins hohe Alter erkannte man die kleine Frau an ihren bunten Kleidern, an der gewaltigen Haarmähne, an hochhackigen Schuhen. Hier, am Strand von Miami kam sie schnell ins Gespräch mit Fremden, ihre menschenfreundliche, zugewandte Art machten es ihr leicht. Aber natürlich ging es Ida Haendel, der großen Geigerin, nicht nur um äußerliche Schönheit. Auch musikalische Schönheit war ihre Maxime.
Ida Haendel wurde noch mit dem Nachnamen Hendel am 15. Dezember 1928 in Chełm, einer Stadt im Osten Polens geboren. An mancher Stelle ist auch vom Geburtsjahr 1923 oder 1924 die Rede – Ida Haendel erklärte das damit, dass ihr Manager sie 1937 für 14 Jahre alt erklären musste, damit sie alt genug für einen Auftritt in London war. Zu dieser Zeit änderte sie auch ihren Namen in Haendel.
Haendel gewann schon 1933, mit vier Jahren, die Goldmedaille eines Wettbewerbes und studierte darauf bei Mieczyslaw Michaiƚowicz am Chopin-Konservatorium in Warschau. Mit sieben Jahren kam sie als jüngste Teilnehmerin ins Finale des Wienawski-Wettbewerbs und erreichte den siebten Platz – Ginette Neveu, damals 16, und David Oistrach, damals 27, kamen auf die ersten beiden Plätze. Haendel erinnerte sich noch genau an den Wettbewerb: "Mein Vater sagte damals zu mir: 'Weißt du wer in der Jury sitzt? Keiner von denen spielt so gut wie du, du sollst keine Angst haben!' Und das habe ich mein Leben lang behalten."
Zum Tod von Ida Haendel ändert BR-KLASSIK sein Programm: Die Sendung "Klassik-Stars" am 2. Juli wird sich ab 18.05 Uhr der großen Geigerin widmen.
Der Vater brachte die ganze Familie in den Dreißigerjahren nach London, auch, um dem drohenden Krieg zu entkommen. Später wurde Ida Haendel britische Staatsbürgerin. In London begegneten ihr zwei Lehrer, die sie musikalisch entscheidend prägen sollten: Der ungarische Geiger Carl Flesch – "ein richtiger Pädagoge, er wusste, was ein Schüler psychologisch braucht", sagte sie. Und der rumänische Geiger und Komponist George Enescu – "ein richtiger Künstler, für den nur das Resultat zählte".
Der größte Dirigent war für sie aber Sergiu Celibidache, mit dem sie eine lange Freundschaft verbinden sollte und der mit ihr die meisten seiner Plattenaufnahmen machte, obwohl er Aufnahmen schließlich ganz ablehnte. "Es war eine Freundschaft, leider auch eine unerfüllte Liebe", sagte Ida Haendel vor einigen Jahren. "Er hatte alles. Wenn er mich geliebt hätte, hätte er einen Weg gefunden", ergänzte sie später.
Ida Haendel heiratete nie. In den 1950ern zog sie nach Montreal (Kanada) und schließlich 1979 in die USA, nach Miami. "Ich bin nicht sehr dick, vielleicht mag ich es deswegen warm", sagte Haendel in einer TV-Dokumentation. Sie traf oft ihre ältere Schwester Ala, mit ihr sprach sie Polnisch, in Miami auch Englisch, aber auch Deutsch sprach sie fließend. Schon bald nach dem Krieg trat sie auch in Deutschland auf. Ihr Debüt bei den Berliner Philharmonikern feierte sie dennoch erst 1993.
2009 kam die Geigerin, mit über 80 Jahren, von Miami nach München, um Jurymitglied beim ARD-Musikwettbewerb zu sein. Nach ihren Wünschen gefragt, sagte Ida Haendel damals: "Weitergehen, solange wie ich kann und ich die Gelegenheit habe. Wenn ein Moment kommt, in dem ich nicht mehr kann, kommt das Ende. Sofort. Kein Tag mehr, keine Stunde länger!" Am 30. Juni 2020 ist sie im Alter von 91 Jahren gestorben.
Sendung: Allegro am 2. Juli 2020 ab 06.05 Uhr