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Kritik – "Idomeneo" bei den Münchner Opernfestspielen Seelenqualen in bunte Farben getaucht

Bis heute gilt Mozarts "Idomeneo" als visionäres Werk. In der Neuinszenierung von Antú Romero Nunes wird der tragische Vater-Sohn-Konflikt zwischen begehbaren Skulpturen ausgefochten. Und unter der musikalischen Leitung von Mozartspezialist Constantinos Carydis gab es am Montagabend bei der Premiere im Münchner Prinzregententheater musikalische Gänsehautmomente.

Bildquelle: Wilfried Hösl

Erstmal gibt es Bühnenmusik, bevor zur Ouvertüre nochmal Stück und Mitwirkende auf den Gazevorhang projiziert werden. Dann katapultiert Regisseur Antú Romero Nunes das Münchner Opernfestspielpublikum aus dem Prinzregententheater in eine sonderbare Inselwelt, auf der Idomeneo Herrscher über ein in bunte Overalls gekleidetes, lässiges Völkchen ist.

Die Inszenierung in Bildern

Skulpturen von Barlow sind die stummen Stars des Abends

Bildquelle: Wilfried Hösl Ihre Welt wird anfangs von einem blutroten Felsbrocken verdüstert, der sich aber bald auf Stelzen erhebt und nur noch wie eine Wolke am Himmel dräut. Die Skulpturen von Phyllida Barlow sind die stummen Stars dieser "Idomeneo"-Neuproduktion. Ausdrucksvoll und wandelbar bieten ein fahrbarer Steg und bunte Hochsitz-Türme spannende Ansichten und originelle Positionen für die beweglichen Sängerdarsteller. Auch Statisterie und Staatsballett präsentieren Luftakrobatik und Zeitlupenläufe, der Chor sammelt Glühwürmchen und eigentlich sind alle ziemlich cool drauf. Wäre da nicht dieser Vater-Sohn-Konflikt zwischen Idomeneo und Idamante und die heimliche Liebe Idamantes zur Trojanerin Ilia.

Carydis macht Seelenqualen hörbar

Bildquelle: Wilfried Hösl Auf viel mehr lässt sich Nunes in seiner Deutung des "Idomeneo" nicht ein, er konzentriert sich auf die Machtübergabe von Vater zu Sohn und geht nicht weiter auf die Sache mit der zürnenden Gottheit Neptun ein, die ihr Opfer fordert. Das macht es in dem optisch abwechslungsreichen Bühnenbild leicht, sich an diesem dreieinhalbstündigen Opernabend auf die Musik zu konzentrieren. Und Constantinos Carydis macht die Seelenqualen der Protagonisten alle hörbar, spielt sogar das lange Ballett am Schluss. Es ertönt auch noch Mozarts fragmentarische Klavierfantasie, von Andreas Skouras am Hammerklavier als Schmerzensstück interpretiert. Ein Gänsehautmoment. Matthew Polenzani glänzt in der Titelpartie mit Legatokoloraturen, Messa di Voce und uneingeschränkter Vitalität. Da kann er am Schluss ganz lässig sein Sandwich auspacken und die Bierdose öffnen, nachdem Idamante sich den bunten Königsmantel übergeworfen hat.

Nunes liefert Regie ohne Kanten

Hanna-Elisabeth Müller singt eine ebenso elegante, wie messerscharfe Elettra, Olga Kulchynska setzt auf hauchzarte Weichheit bei ihrer Ilia, und Emily D'Angelo zeigt mit ihrem dunkel-metallischen Leuchten in der Stimme, wer der neue Herrscher dieses Inselreiches wird. Mit Erzlaute und Barockgitarre im Continuo entspinnen sich auch in den Rezitativen schillernde Klangfarben, auch die Chöre und alle Hinterbühnenmusiken sitzen perfekt und halten die musikalische Spannung des Abends bis zum ausgiebig getanzten Ballett-Schluss in dieser neuen, bunten Welt ohne große Regie-Kanten.

DER MÜNCHNER "IDOMENEO"

Premiere: Montag, 19. Juli 2021, 18:00 Uhr, Prinzregententheater München
Infos zu Besetzung und weiteren Terminen erhalten Sie auf der Homepage der Bayerischen Staatsoper.

BR-KLASSIK überträgt die "Idomeneo"-Vorstellung am 24. Juli ab 18:00 Uhr live aus dem Münchner Prinzregententheater.

Sendung: "Allegro" am 20. Juli 2021 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK