Eine Oper über Weltpolitik - das war im Jahr 1987, als "Nixon in China" von John Adams uraufgeführt wurde, noch ziemlich ungewöhnlich. Doch das Werk hat es ins Repertoire geschafft. Tomo Sugaos Neuinszenierung am Mainfrankentheater Würzburg hatte am 21. Mai Premiere. Die Regie überzeugt ebenso wie Solisten und Orchester; der Wahnsinn der internationalen Politik manifestiert sich auf der Bühne in intensiven, satirischen, schockierenden und erstaunlichen Bildern.
Mao soll ja offiziell zu 70 Prozent gut, zu 30 Prozent schlecht gewesen sein, so behaupteten es jedenfalls seine Nachfolger. Über den amerikanischen Präsidenten Richard Nixon gibt es noch keine genauen Zahlen, er selbst freilich soll nach seinem Rücktritt gesagt haben, er habe seine Freunde, sein Volk und sein Land im Stich gelassen. Mao und Nixon: Zwei sehr umstrittene Politiker, die im Februar 1972 tatsächlich aufeinander trafen. Das war damals ein Weltereignis: Noch tobte der Vietnamkrieg, da war es spektakulär, dass der chinesische Revolutionsführer und der amerikanische Konservative ins Gespräch kamen.
Nixon denkt an schöne Bilder, Mao an den Untergang des Kapitalismus. Nixon hält sich für Superman, Mao für Konfuzius. Dieses Duell reißt von der ersten bis zur letzten Minute mit, auch weil die beiden Ehefrauen aufeinander treffen: Pat, die brave, kalifornische Hausfrau, die ihre innere Kittelschürze niemals abgelegt hat, und Chiang Ch'ing, die blutdürstende Revolutionärin, die ihre Hausarbeit mit dem Maschinengewehr erledigt. Unfassbar, was für intensive, satirische, schockierende, erstaunliche Bilder Tomo Sugao da auf die Bühne wuchtet, wie wild entschlossen der Chor mitmacht beim Fähnchen-Schwenken, Marschieren, Jubeln und Hassen.
An der Minimal Music von John Adams teilten sich natürlich die Meinungen: Die einen halten die scheinbar endlose Wiederholung immer gleicher Tonfolgen für esoterisch, langweilig, ja nervtötend, andere sind begeistert über die Dynamik, die dabei entfesselt wird, die Energie, die hier brodelt und tobt. Das ist ein akustischer Strudel, der den Zuhörer mal gemächlich, mal reißend den Strom hinabtreibt, und niemand weiß, ob am Ende die Niagara-Fälle warten. Dirigent Enrico Calesso hatte hörbar seinen Spaß bei dieser John-Adams-Sause. Für die Musiker hingegen war es wohl in erster Linie Schwerstarbeit, mussten sie doch unentwegt konzentriert zählen, um keinen Rhythmus-Wechsel zu verpassen, und davon gab es viele.
Eine kraftvolle Gemeinschaftsleistung, und durchweg überzeugende Solisten: Daniel Fiolka und Silke Evers als Ehepaar Nixon könnten - so authentisch, wie sie waren - sofort in die Politik einsteigen. Paul McNamara als übergewichtiger Mao, der sich von drei Sekretärinnen bespielen lässt, war bedrohlich und fanatisch wie das Original, noch wüster und brutaler Akiho Tsujii als monströse, Cola-Dosen zerquetschende Ehefrau, die wegen ihrer Verbrechen später bekanntlich zum Tode verurteilt, aber nicht hingerichtet wurde. Auch Bryan Boyce als Henry Kissinger und Taiyu Uchiyama als gerissener Premierminister Chou En-Lai trugen zum Erfolg wesentlich bei. Gut, dass "Nixon in China" jetzt wieder häufiger auf dem Spielplan steht, bis Juli in Würzburg, ab April 2019 in einer Neuinszenierung in Stuttgart. Wie gesagt: Die Oper ist der Wahnsinn. Bestürzend, dass das auch für die Politik gilt. Großer Applaus, allerdings auch viele leere Plätze.
"Nixon in China"
Oper von John Adams
Mainfrankentheater Würzburg
Regie: Tomo Sugao
Musikalische Leitung: Enrico Calesso
Informationen zu Terminen und Vorverkauf finden Sie auf der Homepage des Theaters.
Sendung: "Allegro" am 22. Mai 2018 ab 06:05 Uhr in BR-KLASSIK.