Die Klangspuren Schwaz haben ihr Programm an Corona-Bedingungen angepasst und präsentieren nun Ensembles aus Österreich. Die müssen nicht mit Reisebeschränkungen rechnen und wurden von der Krise besonders stark getroffen. Jetzt wurden die Klangspuren 2020 unter dem Motto "Zeitzeichen" eröffnet – mit Veranstaltungen, die aus einer Not quasi eine Tugend machen. Und dennoch sehr international sind.
Seinen ursprünglichen Zielsetzungen ist das Tiroler Festival für Neue Musik treu geblieben. Paradoxerweise scheint die Gründungsidee dieses Jahr vielleicht sogar noch prägnanter zum Tragen zu kommen. Der Gründer des Festivals, der Pianist und Komponist Thomas Larcher, wollte 1994 mit "Klangspuren" den unmittelbaren Austausch zwischen der regionalen Szene und der internationalen Szene sowie heimischen Komponisten ein Podium bieten. Gleichzeitig war es sein Ziel, den ganz unmittelbaren Austausch mit der internationalen Szene der zeitgenössischen Musik zu fördern – mit bisweilen auch außereuropäischen Länderschwerpunkten.
So ist nicht nur viel internationale Prominenz nach Tirol gelockt worden. Auch der Ort, die Region selbst – Schwaz ist eine Kleinstadt, 30 Kilometer östlich von Innsbruck gelegen – wurde zum Schauplatz der Musik: Fabrikhallen, Schulen und Bergkirchen. Zum Programm gehörte auch eine lange Wanderung, eine Klangwanderung zu verschiedenen Orten.
"Zeitzeichen", wie das Signal im Radio vor Beginn der Nachrichten, heißt das nun seit zwei Jahren von Reinhard Kager gestaltete Programm. Politische Nachrichten sind es aber nur indirekt, auch wenn mit dem Titel "doppelt bejaht" Matthias Spahlinger ein Karl-Marx-Zitat für nicht entfremdete Arbeit aufnimmt und das Orchester ohne Dirigenten spielen lässt. Doch das Festival setzt ein Zeichen, wie wichtig gerade zeitgenössische Musik, wie politisch relevant das Herstellen einer Gemeinschaft von Musikern und Publikum im gemeinsamen Raum sein kann. Und dies auch, wenn die streng nach Hygienevorschriften platzierten Zuhörer während des Konzerts – in der Stadt Schwaz stand die Corona-Ampel auf gelb – Maske tragen mussten.
Eine lange Wanderung in die Tiroler Berge war diesmal nicht möglich. Stattdessen gab es in kleinen Gruppen einen Spaziergang durch die Stadt, zu Kirchen und öffentlichen Gebäuden, wobei vor allem Teilnehmerinnen der "Akademie für Moderne Musik" Stücke von Kagel und Kurtág zum besten gaben – eine Schulinspektion gewissermaßen.
Der internationale Aspekt scheint mit Schließung der Grenzen weggefallen, viele ursprünglich eingeladene Künstler konnten nicht mehr einreisen. So konzentrierte man sich schließlich ganz auf österreichische Ensemble und Musiker: Klangforum Wien, Ensemble Phace, und das Tiroler Symphonieorchester, sowie das œnm (œsterreichisches ensemble fuer neue musik). Sichtbar wird dabei, wie selbstverständlich international durchmischt trotz Reisebeschränkungen inzwischen nicht nur das Programm, sondern auch die Ensembles geworden sind. Insofern ist "Zeitzeichen" dann auch ein wenig eine imponierende, rückblickende Leistungsschau. Die auf künftige Reisen erwartungsfroh hoffen lässt.
Die Klangspuren Schwaz gehen noch bis zum 20. September 2020. Informationen zu Programm und Karten gibt's auf der Website des Festivals.
Sendung: "Leporello" am 14. September 2020 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK.