"Je vous prends 30 secondes de votre temps …" – was für ein Paukenschlag zum Auftakt der Woche. Der französische Präsident Emmanuel Macron gibt via TikTok einen aus, und zwar für die Kultur. Ein Kulturpass soll kommen: 300 Euro für alle 18-Jährigen, als Guthaben via App, um damit Kultur zu finanzieren.
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Das ist natürlich eine Nummer im internationalen Vergleich. Hierzulande gibt es auch zig Kultursubventionen für die Jugend. Aber nicht so cool. Nicht während Corona. Und schon gar nicht so unbürokratisch. Hierzulande stranguliert man sich lieber an der Frage: Wann ist eine Konzertbühne eine Konzertbühne?
Alle dürfen wieder aufmachen, nur der Jazzclub "Unterfahrt" in München nicht. Zur Konzertbühne gehört nämlich eine feste Sitzplatzzuordnung. Schon allein so ein Wort würde in Frankreich auf den Index kommen. Die "Unterfahrt" aber hat nur Tische. Und die sind, man mag das gar nicht laut aussprechen, nicht fest im Boden verankert. Sitzplatzzuordnung ist nicht gleich Tischplatzzuordnung.
Leider keine Konzertbühne, leider kein Live-Publikum. Leider ungeil. Tja, so ein bisschen Savoir-vivre und Laisser-faire in Sachen Kultur, das wär’s halt. Aber Moment mal, da war doch was: "Dass wir alles nutzen, breit in einer Gesellschaft in Bayern für den Kulturstaat zu werben, von der Hochkultur bis in die freie Szene rein, und dass dafür sich der Staat auch bereit erklärt, Mittel zu investieren." Das gab Markus Söder Ende vergangenen Jahres von sich. Okay, gemeint hat er damit den Kultursommer, der ja jetzt auch eher ein Herbst wird. Zu viel Bürokratie und so. Aber wäre nicht so ein Bayerischer Kulturpass genau das richtige? Die CSU steht in Umfragewerten auch nicht mehr so breitbeinig da wie früher – da würde doch ein bisschen frischer Wind von denen, die das erste Mal zur Wahl gehen, ganz guttun.
Klar, man müsste das mit der App hinkriegen. Von oberster Stelle, wissen wir ja. "Das Internet ist für uns alle Neuland", meinte Angela Merkel im Jahr 2013. Mittlerweile hat sich da was getan. Und wenn man sich anschaut, wie Söder auf der Twitter- und Insta-Welle surft, da ist TikTok nicht mehr weit. Generalsekretär Markus Blume hat es schon vorgemacht: "Hey, Leute, ich bin neu hier auf TikTok und ich hab gehört, hier geht’s vor allem um gute Inhalte."
Zurück zum Kulturpass: Da müsste man noch entscheiden, für was das Geld ausgegeben werden darf. Macron hat ja auch gesagt: alles außer Netflix und Amazon. Das hieße hier dann sowas wie: Konzertkarten ja, aber nur, wenn sie fest verankert und auf CO2-neutralem Papier fränkischer Provenienz gedruckt sind. Quatsch. Wenn man junge Menschen abholen will, dann vielleicht so: Fränkisches Rauchbier in – Obacht TikTok-Wortwitz – Maßen: eindeutig Kulturerbe. In diesem Sinn: Schönes, kulturelles Wochenende!
Sendung: "Allegro" am 28. Mai 2021 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK