Mit ihren Riesen-Brüsten kam sie erst in Magazine, dann ins Fernsehen und schließlich in die Arme eines Milliardärs. 2007 starb das Playgirl Anna Nicole Smith mit 39 Jahren. Die Oper über ihr Leben überzeugte auch am Hessischen Staatstheater.
Früher war ja alles ganz einfach: Die Hölle war unten, der Himmel war oben, und dazwischen ganz viel Platz zum Glauben, Hoffen und Lieben. Heute ist die Hölle nicht selten zuhause, der Himmel im Fernsehen und dazwischen Platz für jede Menge Drogen. Kein Wunder also, dass das Fotomodell und Playgirl Anna Nicole Smith nicht ins ersehnte Paradies kommt, sondern nur in eine Talkshow. Dass sie beides miteinander verwechselt, wird ihr zum Verhängnis.
Mit 39 Jahren starb die einst sehr bekannte Hollywood- und Playboy-Darstellerin, die so gerne eine zweite Marilyn Monroe gewesen wäre. Wenige Jahre später, im Februar 2011, wurde in London die Oper uraufgeführt, die der Komponist Mark-Anthony Turnage und der Textdichter Richard Thomas über ihr kurzes, tragisches Leben schrieben. Es folgten sehr erfolgreiche Produktionen in New York, in Dortmund und vor gut einem Jahr in Nürnberg.
Und auch die Premiere in Wiesbaden erwies sich als großer Publikumserfolg, auch wenn einige Sitze leer blieben und ein paar Zuschauer vorzeitig gingen - wohl schockiert von der sehr drastischen Sprache. Ja, in "Anna Nicole" geht's um Sex gegen Geld und es wird unentwegt gebetet: Um größere Brüste, reichere Kunden, schärfere Betäubungsmittel und fetteres Fast Food.
Und weil diese Prominenz, dieser öffentliche Raum für eine geschundene, herum geschubste, ausgebeutete und ungebildete Frau wie Anna Nicole tatsächlich der Himmel auf Erden war, glitzerte es natürlich, wohin der Blick auch fiel. Überall das Strahlen und Funkeln von ganz billigem Tand, sogar der Leichensack, in dem das Playgirl auf- und schließlich wieder abtrat schimmerte verführerisch.
Begeistert hat der Abend vor allem wegen der Hauptdarstellerin Elissa Huber. Die Sopranistin studierte an der Bayerischen Theaterakademie August Everding in München und ist seit mehreren Jahren vor allem in Operetten und Musicals unterwegs. Mit beklemmender Wahrhaftigkeit spielt sie die Anna Nicole, ist anfangs das lebenslustige, aber todunglückliche Ding vom Lande, später die naive Poledancerin, die sich vom Schönheitschirurgen zu Super-Brüsten überreden lässt. Sie lernt, ständig zu schauspielern, trotz ihrer quälenden Rückenschmerzen, ist auf Knopfdruck immer scharf, weshalb ihre Tablettendosis immer höher wird. Es ist ergreifend, wie Elissa Huber diesen medialen Kreuzweg vorführt, wie sie schließlich zum Clown degradiert einen Kinderwagen schiebt, wie sie dem Publikum zur Begrüßung und zum Abschied einen Kuss zuwirft - oder "zubläst", wie sie es formuliert.
Sendung: Allegro am 17.02.20 ab 6.05 Uhr auf BR-Klassik
Informationen zu Terminen, Vorverkauf und Besetzung erhalten Sie auf der Homepage des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden.