Eine Frau übt Revanche und geht öffentlich und demonstrativ fremd, weil ihr Mann untreu ist. Paul Abraham scheute in seiner jazzigen Erfolgsoperette von 1932 keine Tabus. In Nürnberg gelingt eine rasante Sause mit Travestie und "unkorrektem" Humor.
Früher sagten sich die Feierbiester: Ein Modetanz, den der Vatikan verbietet, der kann nicht ganz schlecht sein. Das erklärt den Siegeszug des Foxtrott, aber auch anderer tierisch unterhaltsamer Rhythmen, wie etwa den Horsetrott, den Turkeytrott, den Bunny Hug, den Grizzly Bear und den Känguru-Hop. Alles Tänze, die kurz vor dem Ersten Weltkrieg in den USA entstanden und in den zwanziger Jahren nach Europa kamen, wo diese Ragtime- und Jazz-Nummern endlich den betulich gewordenen Walzer ablösten. Begeistert und inspiriert vom amerikanischen Schwung, war der ungarische Komponist Paul Abraham damals in Berlin der Mann der Stunde: Hoch bezahlt, sensationell erfolgreich, auch mit seinem rasanten "Ball im Savoy".
Klar, Humor ist Geschmackssache, nicht jeder findet Männer als strassbehängte Bauchtänzerinnen unterhaltsam, genauso wenig wie Türken-Parodien, bei denen der islamische Gebetsteppich als dekoratives Einstecktuch mit Fransen dient. Und auch an der hier gezeigten Travestie dürften sich die Geister scheiden: Die fernsehbekannten Geschwister Pfister besetzten die Hauptrollen. Ursli alias Christoph Marti spielt die quirlige Jazz-Komponistin Daisy Parker, Andreja Schneider ist als übergewichtiger osmanischer Diplomat namens Mustapha Bei zu sehen. Tobias Bonn gibt den frivolen Marquis, der zwar frisch verheiratet ist, aber trotzdem am ersten Tag nach seinen zwölfmonatigen Flitterwochen mit einer Geliebten im Séparée verschwindet. Ergänzt wird dieses fulminante Trio von Musical-Darstellerin Frederike Haas.
Danny Costello hatte als Choreograph alle Mitwirkenden in richtige Champagner-Seligkeit versetzt, nicht nur das Tanzensemble, auch den bestens gelaunten Chor. Der versprühte soviel Lebensfreude, dass der Flitterregen am Ende fast schon überflüssig wirkte. Gut, dass Paul Abraham seit ein paar Jahren wieder präsent ist auf deutschen Spielplänen, und zwar nicht mit weich gespülten, verfälschten Partituren aus der Nachkriegszeit, sondern in sorgsam rekonstruierten Original-Fassungen. Die traurige Ironie: im Exil in Amerika fiel er trotz seiner Liebe zum Jazz beim dortigen Publikum durch und landete in der Nervenklinik. Er soll dort mit weißen Handschuhen ein unsichtbares Orchester dirigiert haben.
Sendung: Allegro am 21.01.2019 um 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Musikalische Leitung: Volker Hiemeyer
Regie: Stefan Huber
Choreografie: Danny Costello
Bühne: Timo Dentler, Okarina Peter
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