Gaetano Donizetti schickt in seiner Oper einen reichen und alten Mann noch einmal auf Freiersfüße, was dieser natürlich bald bitter bereut. Die Regisseurin Corinna von Rad inszenierte das als Satire über Männerfantasien – deutlich, aber auch albern. Am 25. Mai war Premiere.
Ja, auch im Beziehungsverkehr gibt es Unfälle. Der vermögende Don Pasquale zum Beispiel wird von seinen eigenen erotischen Fantasien überfahren. Vermutlich waren die heißen Gedanken mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs, so dass der Mann ihnen nicht mehr rechtzeitig ausweichen konnte, er ist ja immerhin schon reife 58. So ähnlich sieht es offenbar die Regisseurin Corinna von Rad. Sie zeigte Gaetano Donizettis schwungvolle Komödie in Augsburg als grellbunte Bunny-Parade, ein Gehoppel von Häschen, wie sie aus ganz alten Playboy-Zeiten bekannt, aber in Zeiten von Metoo längst nicht mehr beliebt sind. Ein stattlicher Rammler übrigens tritt auch auf.
Hat das dieser Don Pasquale wirklich verdient? Der Herr will ja eigentlich gar nicht heiraten, sondern sich lediglich an seinem Neffen rächen, weil der unbedingt eine Frau ohne Geld ehelichen will. Also will ihm der Onkel vormachen, wie so was richtig geht, eine Braut angeln, und der so gerissene wie drogensüchtige Doktor Malatesta nutzt das natürlich für eine gehörige Intrige aus. Don Pasquale wird ein vermeintliches Traumweib präsentiert, eine Schönheit in Hot Pants, die sich dann allerdings als so eigensinnig und kostspielig erweist, dass der leidgeprüfte und ruhebedürftige Mann froh ist, als er sie wieder los ist.
Donizetti macht da richtig ein Fass auf, denn auf dem Höhepunkt des bizarren Techtelmechtels ohrfeigt die oberscharfe Norina ihren vermeintlichen Ehegatten Don Pasquale, ein in der Ständegesellschaft unmögliches, ja undenkbares Verhalten, dessen Konsequenzen in Augsburg leider von der Regisseurin nicht weiter thematisiert wurden. Sie beteuerte vielmehr in einem Interview, die Oper sei nicht "kompliziert" und habe auch "keine Message". Schade, denn Donizetti lässt eine junge Frau auf eine Art rebellisch werden, die zu seiner Zeit geradezu schockierend war.
Statt das zeitgemäß zu bebildern, läuft die Inszenierung Corinna von Rads hart an und leider auch oft über der Grenze zur Albernheit ab. Darüber amüsierten sich die jüngeren Zuschauer hörbar mehr als die älteren, zumal das Ganze optisch an eine Fernseh-Spielshow erinnerte. Ausstatter Ralf Käselau hatte eine Arena entworfen, rechts ein verglaster Raum für die Regie, hinten ein paar Garderoben, seitlich eine große Projektionswand, auf der vermeintlich lustige Sprüche zu lesen waren wie "Fake it, till you make it", also etwa "Heuchle es, bis es wahr wird". Allerlei triviale Lebensweisheiten, wie sie ein Motivationstrainer so von sich gibt. Es ist viel Lametta im Einsatz, meterweise Hochzeitstüll, auch männliche Bunnys dürfen zeigen, was sie drauf haben. Deutlich ist das alles, ja überdeutlich, aber eben auch platt und gänzlich unspannend.
So dämlich, wie hier gezeigt, kann der Don Pasquale gar nicht sein, und wenn ihn ein begnadeter Sänger wie Stefan Sevenich darstellt, schon gar nicht. Da ist ein etwas ungeschickter, aber liebenswerter Herr zu sehen, der sich seinem Schoßhündchen widmet und Manieren hat - keine Ahnung, wie er in diesen bizarren Trubel gerät. Ebenfalls großartig die zierliche koreanische Sopranistin Jihyun Cecilia Lee als Norina: Sie gurrt und stakst jederzeit glaubwürdig in ihren durchsichtigen Taft-Outfits durch die Kulisse. Dagegen blieb Emanuele D'Aguanno als Liebhaber Ernesto blass, und auch Florian Götz als Malatesta wirkte nicht wirklich hinterhältig oder auch nur verschlagen. Im Grund wurde insgesamt nur klar, welches Anliegen das Regieteam hatte, nämlich Männerfantasien lächerlich zu machen, nicht jedoch, welche Geschichte erzählt werden sollte. Das machte den Abend zu einem ausgesprochen zwiespältigen Vergnügen.
Generalmusikdirektor Domonkos Héja begleitete das Geschehen fast schon mit heiligem Ernst, jedenfalls überraschend breit und geradlinig für den eigentlich verspielt-rasanten, ja tänzelnden Donizetti-Sound. Das sollte wohl der seriöse klangliche Kommentar zum übertrieben klamaukigen Geschlechterkrieg auf der Bühne sein. So richtig zusammen passte beides nicht, "rauschhaft und spaßig", wie sich die Regie nach eigenen Worten verstehen wollte, war das Orchester nicht aufgelegt. Gleichwohl sehr lebhafte Zustimmung des Publikums.
Sendung: "Allegro" am 27. Mai 2019 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Komische Oper in drei Akten von Gaetano Donizetti
Staatstheater Augsburg
Premiere: 25. Mai 2019
Augsburger Philharmoniker
Musikalische Leitung: Domonkos Héja
Inszenierung: Corinna von Rad
Infos zu Terminen und Vorverkauf auf der Homepage des Theaters