Rolando Villazón präsentierte an der Deutschen Oper Berlin seine Sicht auf "Die Fledermaus". Unsere Kritikerin erlebte einen witzigen und tiefsinnigen Abend mit einem wunderbaren Sängerensemble. Donald Runnicles dirigierte schmissig und doch sensibel. Einige Buhrufe gab es trotzdem für die Regie.
Was haben der Kultfilm "Odyssee im Weltraum", die DDR in den 50er Jahren und Wien nach dem Börsenkrach gemeinsam? Ganz einfach: Strauss’ Fledermaus kann in jeder Epoche flattern, und Walzer geht immer. Mit geschnürter Taille oder in Uniform, im NVA-Bunker oder im Raumschiff, mit Dienstmädchen oder mit Robotern. Regisseur Rolando Villazon hat das feuchtfröhliche Spiel um Seitensprung und Rachegelüste im ersten Akt in die Operettenstadt Wien, im zweiten in Ulbrichts sozialistisches Paradies und im Dritten in die Science-Fiction-Welt gebeamt. Nach dem Motto: Verwirrte Hormone, gemeine Intrigen, enttäuschte Freunde und langweilige Ehen sind ewige Menschheitsthemen, so wie Reichtum und Armut, Saufgelage und Katerstimmung. Von der Bühne hängt Dalís zerflossene Uhr hinunter in den Orchestergraben, wo Donald Runnicles mit seinen Musikern all die Schlager und Ohrwürmer schmissig und doch sensibel begleitet.
Alle Intrigen fliegen auf im Dritten Akt, der Stanley Kubricks Meisterwerk "Odyssee im Weltraum" zitiert. Gefängniswärter Frosch ist ein Roboter, Gefühle sind in seiner 2.0-Version erstmal nicht programmiert. Science Fiction ist grad voll Mode in der Opernregie, siehe Neuenfels’ Salomé an der Staatsoper. Sie gibt dem vermeintlich Seichten dieser Operette eine weitere Dimension, eine Tiefe, die passt und überrascht, denn zum Raumschiff spielt das Orchester plötzlich einen anderen Strauß: Richard Strauss' "Also sprach Zarathustra".
Es sind drei vergnügliche, tiefsinnige, wunderbar gesungene und gespielte Stunden mit am Ende etwas langatmigen Momenten. Die mochte auch ein kleiner, aber lauter Teil des Publikums nicht: Regisseur Villazon musste viele Buhrufe einstecken und setzte sich als Antwort eine rote Clownsnase auf. Die Fledermaus an der Deutschen Oper wird dennoch ein Renner und nicht nur zu Silvester ausverkauft sein.
Sendung: "Leporello" am 30. April 2018, 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK