Muffiger Text, faszinierende Musik - so ließe sich Hans Werner Henzes Oper "Elegie für junge Liebende" stichwortartig zusammenfassen. Keith Warners Neuinszenierung des Stücks, die am 2. Mai im Theater an der Wien Premiere hatte, konnte die angestaubte Handlung nicht retten. Dafür überzeugte die musikalische Umsetzung auf ganzer Linie.
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Das Alter ist ungerecht. Manche erwischt es vor der Zeit, andere bleiben einfach jung. Das ist bei Menschen so - und bei Opern nicht anders. Die jung gebliebenen Stücke bekommen den schmeichelhaften Namen "Meisterwerk" und stehen ständig im Rampenlicht, merklich gealterte Stücke kriegen trotzdem ab und zu eine Chance, dann heißen sie "Ausgrabung". So weit, so übersichtlich. Kompliziert, aber auch interessant wird es, wenn Text und Musik in unterschiedlicher Geschwindigkeit altern. Hans Werner Henzes "Elegie für junge Liebende" ist so ein Fall.
Ein in die Jahre gekommener, maßlos egozentrischer Dichter manipuliert gnadenlos seine Umgebung. Alle lassen sich von ihm ausnutzen: die reiche Gräfin, die ihm Geldscheine zusteckt, die irre Witwe, deren Visionen er zu Gedichten verarbeitet, der versoffene Leibarzt, der ihn körperlich in Form hält, damit er seine junge Freundin Elisabeth befriedigen kann. Doch dann taucht Toni auf, ebenfalls jung und gut aussehend. Diesem Nebenbuhler ist der alternde Dichter auf Dauer nicht gewachsen. Listig schickt er das junge Paar auf eine Bergtour. Toni und Elisabeth geraten in einen Schneesturm, der eifersüchtige Dichter verhindert die Rettung. Nun kann er, mit zynischer Ergriffenheit über den von ihm selbst verursachten Bergtod, endlich sein Gedicht vollenden: "Die Elegie für junge Liebende". Merke: Kunst geht über Leichen.
Sehen Sie hier die Bilder zur Produktion.
Das Alter ist einfach ungerecht! So viel Patina der Text angesetzt hat, so frisch leuchtet die Partitur. Die Musik des jungen Henze hat nichts, aber auch gar nichts von ihrer dramatischen Unmittelbarkeit und ihrem betörenden Farben-Zauber verloren. Nur 25 Musiker sitzen im Graben, ein originelles Ensemble aus Soloinstrumenten. Grandios umgesetzt werden Henzes Klangwunder von den Wiener Symphonikern unter Marc Albrecht. Und gesungen wird auf gleichem Niveau. Johan Reuter als alternder Dichter erreicht zwar nicht die ölige Bösartigkeit von Dietrich Fischer Dieskau, der die Uraufführung sang, ist der Rolle aber in jeder Hinsicht gewachsen. Angelika Kirchschlager spielt und singt die Gräfin mit fesselnder Intensität. Überstrahlt wird sie von den atemberaubenden Koloraturen der Laura Aikin und der unangestrengt leuchtenden Höhe der Anna Lucia Richter - eine exzellente Leistung. Tja, und welche Prognose ist dieser eher selten gespielten Henze-Oper nun zu stellen? Letztlich zählt die Musik - und die ist unbedingt hörenswert.
Sendung: "Allegro" am 03. Mai 2017, 06.05 Uhr auf BR-KLASSIK
Hans Werner Henze: "Elegie für junge Liebende"
Theater an der Wien
Premiere:
Dienstag, 02. Mai 2017
Weitere Termine:
Donnerstag, 04. Mai 2017, 19.00 Uhr
Sonntag, 07. Mai 2017, 19.00 Uhr
Dienstag, 09. Mai 2017, 19.00 Uhr
Donnerstag, 11. Mai 2017, 19.00 Uhr