Die Oper "L'empio punito – Der bestrafte Gottlose" von Alessandro Melani wurde erstmals 1669 in Rom aufgeführt und behandelt denselben Stoff wie Mozarts "Don Giovanni". Nun hatte das Werk Premiere bei den Innsbrucker Festwochen. Besonders die jungen Sänger und Sängerinnen überzeugten.
Der große Konzertsaal im Innsbrucker Haus für Musik ist kein Theater. Auf dem Podium vor der durchsichtigen Fensterfront mit Blick auf die Hofburg stehen drei Marmorplatten als Bühnenelemente – mehr nicht. Doch Regisseurin Silvia Paoli weiß diese improvisierte Bühne über drei Stunden so intensiv und passend zur Musik zu beleben, dass sich die Befürchtung, doch nur eine halbszenische Oper zu erleben gleich zu Beginn von Melanis "L'empio punito" zerstreut. Aus den Marmorwänden entsteigen vier geflügelte Amoretti, die an roten Seilen die handelnden Figuren wie Marionetten in ihre Liebeswirren verstricken. Der Schiffbruch auf dem Meer wird mit Hilfe eines großen Lakens glaubhaft dargestellt, für die Bettszenen hängen einfach zwei Kopfkissen von der Wand und das Publikum blickt aus der Vogelperspektive auf das unzüchtige Treiben der Verliebten.
Die herrlichen Kostüme von Valeria Donata Bettella bedienen sowohl barocke Üppigkeit, als auch Tiroler Lokalkolorit und auch das in der Barockoper unvermeidliche schrille Transgender-Thema. 1669 wurden die meisten Männer- Rollen mit Kastraten besetzt, in der Innsbrucker Version von 2020 singt die schwedische Mezzosopranistin Anna Hybiner den gottlosen Weiberheld, der in Melanis Oper "Acrimante" heißt. Er ist Cousin des Königs von Korinth und hat trotzdem dessen Tochter Atamira einfach abserviert und steigt jetzt Ipomena, der Schwester des Königs von Mazedonien nach.
Für den nicht nachlassenden musikalischen Sog sorgt Mariangiola Martello dirigierend am ersten Cembalo. Sie wird umrahmt von ihrem Barockorchester-Jung, das sich mit den dunklen Klängen von Theorben, Violone, Violoncello und Viola da Gamba vor allem den dramatischen und sehnsuchtsvollen Momenten widmet. Zu den lustigen Commedia – Szenen tänzeln dann Blockflöten und Fagott zur Violine. Die ausgiebig unterlegten Accompagnati-Rezitative wirken zwar gegen Ende der dreistündigen Aufführung etwas monochrom und die tiefen Stimmen kommen manchmal nicht ganz über den satten Instrumentalteppich, doch der enorme Elan aller Beteiligten überzeugt, und Don Giovanni hat dank dieser Wiederentdeckung in seinem älteren Bruder ordentlich Konkurrenz bekommen.
Sendung: "Piazza" am 22. August 2020 ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK