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Doku über Startenor Jonas Kaufmann Eher Fanartikel als Dokufilm

Eine neue Dokumentation zeigt den "König der Tenöre" Jonas Kaufmann jenseits der Opernbühne. Der Sänger lädt das Filmteam sogar zu sich nach Hause ein. Ab dem 23. September 2020 ist "Jonas Kaufmann – Ein Weltstar ganz privat" auf Amazon Prime zu sehen. 75 Minuten Eigenwerbung im Hochglanzformat.

Bildquelle: obs/Amazon.de/INDI HERBST

Insekten schwirren im Sonnenlicht, das kleine Kind wird von den glücklichen Eltern in leichter Zeitlupe geschaukelt, perfekt ausgeleuchtet liest der Protagonist auf der Fensterbank seines Hauses in Oberbayern in einem Buch. Der Startenor Jonas Kaufmann präsentiert sich in diesem Hochglanzdokumentarfilm als gemäßigt nachdenklicher, vor allem aber entspannter Sänger, der es geschafft hat. Auftritte an der Mailänder Scala oder Londons Königlicher Oper, Duette mit Anna Netrebko und Anita Rachvelishvili auf der Berliner Waldbühne und dem Münchner Königsplatz, Aufnahmesitzungen mit Helmut Deutsch im eigenen Tonstudio unterm Dach seiner Villa.

Selbstvermarktung in Werbefilmoptik

Die Werbefilmoptik ist offensichtlich gewollt, denn dieser Dokumentarfilm reiht sich ein in die gut geölte Vermarktungsmaschine des erfolgreichen Tenors, die unlängst auch einen Bildband in den Läden brachte, in dem der geneigte Fan blättern kann, um seinem Idol ganz nah zu sein. Nun also das Filmäquivalent zum Coffeetable-Book und zur Homestory im Hochglanzmagazin. Kritische Fragen darf der Zuschauer nicht erwarten, denn praktischerweise ist der Produzent Alexander-Klaus Stecher auch ein langjähriger Freund des Hauses, der die Befragung auf der Terrasse beim vom Tenor zubereiteten Mittagessen gleich selbst übernimmt.

Von Stimmkrisen und Jetsetter-Leben

Jonas Kaufmann und seine Frau Christiane Lutz kochen leidenschaftlich gern. | Bildquelle: obs/Amazon.de/INDI HERBST Immerhin ist zwischendurch von der Stimmkrise und der langen Gesangspause ist Rede (selbstverständlich restlos überwunden) und von den Nachteilen des Lebens als Gesangsstar (man hat's halt nicht leicht als international reisender Opernsänger), auch vom Lampenfieber (kein Problem mehr, seit er wirklich weiß, wie man richtig singt). Viel lieber erzählt Kaufmann aber von seiner Liebe zum italienischen Caffè, den er mit einer Luxusmaschine zubereitet, und zum italienischen Schlager, zu deren Verdeutlichung der teure Schallplattenspieler ins Bild kommt und eine knisternde Single abgespielt wird.

Fanartikel ohne kritische Töne

An den zahlreichen Beispielen seines eigenen Gesangs im Film könnte schön erläutert werden, wie sich seine eigene Technik über die Jahre geändert hat vom kunstvoll verdunkelten Klang zu einer klareren Tonproduktion. Der Vergleich zwischen den offenen Vokalen der italienischen Schlagersänger mit dem nur leicht variierten Einheitsvokal Kaufmanns fällt jedenfalls nicht zugunsten des Opernstars aus. Für solche kritischen Töne ist verständlicherweise kein Platz in diesem märchenhaften Fanartikel, der offensichtlich dazu dienen soll, die Kundenbindung durch den menschlichen Faktor zu erhöhen.

Filmvorschau im BR Fernsehen

Das Fernsehmagazin "kinokino" des Bayerischen Rundfunks zeigt Szenen aus der neuen Dokumentation "Jonas Kaufmann – Ein Weltstar ganz privat". Hier geht's zur Sendung.

Musikalische Besprechung. | Bildquelle: obs/Amazon.de/INDI HERBST Der aufmerksame Beobachter kann dennoch bemerken, dass die Auftritte des bekennenden Perfektionisten Kaufmann in jeder einzelnen Phrase kalkuliert sind, dass dieser gesangstechnisch ungemein versierte Künstler sein Instrument jederzeit fest im Griff hat und jeden Effekt genauso haben möchte, wie er ihn dann auf der Opernbühne oder im Konzert präsentiert. So mögen das auch seine Fans, wie die zahlreichen verzückten Gesichter in den Konzertausschnitten zeigen. An sie wendet sich dieser Film, der ein schönes Bild schöner und glücklicher Menschen in schöner Umgebung zeigt.

Mund-Nasenschutz hinter den Kulissen

Nur im Abspann wird der Aufwand deutlich, der dafür betrieben werden musste, wenn die zahlreichen Menschen hinter den Kulissen mit Mund-Nasenschutz gezeigt werden, nicht ganz so minutiös frisiert, gekleidet, arrangiert und ausgeleuchtet sind wie Kaufman, seine Frau, Tochter und Freunde. Da kommt dann doch noch ein Hauch von realem Leben in die letzten Minuten des Films.

Informationen zum Film

"Jonas Kaufmann - Ein Weltstar ganz privat"
Dokumentarfilm
Produziert von Alexander-Klaus Stecher und Tim Werner
Dauer: 75 Minuten
Filmstart: 23. September 2020 bei Amazon Prime Video

Sendung: "Allegro" am 23. September 2020 ab 6.05 Uhr auf BR-KLASSIK