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Kritik - Currentzis und Kopatchinskaja in München Durchgeknallte Mozart-Karikatur

Die Interpretationen von musicAeterna gelten als radikal und kompromisslos: Was der griechische Dirigent Teodor Currentzis mit seinem Ensemble auf die Konzertpodien bringt, polarisiert. Jetzt ist das Ensemble auf Tournee und hat in der Philharmonie im Münchner Gasteig Station gemacht. Fridemann Leipold hat zugehört.

Bildquelle: Alex Romanov / Sony Music Entertainment

Wie ein Wirbelwind fegt die wilde Truppe aus Perm über die Bühne der Münchner Philharmonie in Mozarts früher g-Moll-Symphonie KV 183. Befeuert vom Zampano aus Athen, Teodor Currentzis, zäumt sein Originalklang-Orchester musicAeterna das kleine Meisterwerk des 17-jährigen Mozart zum fetzigen Sturm und Drang-Spektakel auf: rasende Tempi, schroffe Akzente, grelle Hell-Dunkle-Kontraste. Viele junge Leute im Orchester, die im Stehen musizieren. Die Streicher spielen auf Darmsaiten, die Bläser auf alten Instrumenten. Erbärmlich quäken die Barockoboen - da war die historische Aufführungspraxis doch schon mal weiter …  

Mozart als Karikatur

Bildquelle: Marco Borggreve Und dann betritt sie die Bühne: die moldawische Geigen-Revoluzzerin Patricia Kopatchinskaja, um Mozarts D-Dur-Violinkonzert KV 218 zu exekutieren. Harsch, aufgeraut und kratzig ihr Ton, bewusst unschön, im Piano verhaucht und mit verschliffenen Lagenwechseln. Hochmanieriertes Mozart-Spiel bietet die Kopatchinskaja, mit völlig verrückten, geräuschhaften Kadenzen. Mit dem Notentext hat das oft nur noch wenig zu tun - Mozart verzerrt zur Karikatur, alle Zöpfe abgeschnitten, auf den Tanzboden heruntergeholt. Eine bizarre Performance, abgedreht und ja: durchgeknallt. 

Exzentriker unter sich

Patricia Kopatchinskaja und Teodor Currentzis: Da haben sich zwei genialische Exzentriker gefunden. Currentzis - schwarze Haare, schwarzes Hemd, schwarze Leggings und schwarze Stiefel - ist ein gnadenloser Selbstdarsteller auf dem Podium, ein Tanzbär, der poltert und prustet, wild gestikuliert und herrisch auftrumpft. Dirigieren kann man das eigentlich nicht nennen. Da macht man besser die Augen zu - und die Ohren auf.  

Beethovens Furor

Und das lohnt sich dann tatsächlich im zweiten Teil bei Beethovens "Eroica". Wie ausgetauscht wirkt das Ensemble, perfekt kommen die berüchtigten Akkordschläge zu Beginn, prachtvoll klingen die Naturhörner. Currentzis nimmt sich auch bei Beethoven die Freiheit, vieles anders zu machen als gewohnt. Dehnt und staucht den musikalischen Fluss eigenwillig, kultiviert extreme dynamische Unterschiede und grelle Effekte. Im Eifer des Gefechts geht bei musicAeterna schon mal was daneben. Aber: Beethovens Furor, sein heroisches Pathos treiben die russischen Musiker auf die Spitze.  

Absurder Hype

Das polarisiert - und ist nicht unbedingt neu. Das Publikum in der gut besetzten Philharmonie tobte. Von Sony und den Medien gepuscht, ist um Currentzis und musicAeterna ein absurder Hype entstanden. Im Sommer eröffnen sie die Ära Markus Hinterhäuser bei den Salzburger Festspielen mit Mozarts "Titus". Und ich frage mich: Ist das wirklich die erhoffte Frischzellenkur für den verstaubten Klassikbetrieb - oder sind das doch nur des Kaisers neue Kleider?