In die Herzkammer der Liebenden möchte die amerikanisch-israelische Komponistin Chaya Czernowin mit ihrer dritten Oper eindringen. Deshalb hat sie das Auftragswerk der Deutschen Oper Berlin "Heart Chamber" genannt. Seit ihrem Operndebüt bei der Münchner Biennale im Jahr 2000 arbeitet die in Haifa geborene Czernowin mit dem Regisseur Claus Guth zusammen, der ihren intellektuell durchdrungenen, sehr abstrakten Kompositionen ein realistisches Bühnengeschehen entgegensetzt.
Mit der Liebe kann es mitunter ganz schnell gehen. Im Großstadtgetümmel fällt ein Honigglas zu Boden, ein Mann hebt es auf, gibt es der Frau zurück, die Hand wird einen Moment zu lange berührt und zack, verliebt. Das heißt, in Chaya Czernowins neuer Oper "Heart Chamber" geht eigentlich gar nichts schnell, eher alles in Zeitlupe, also nochmal: Er und sie, Namen haben Czernowins Protagonisten nicht, sitzen zunächst auf Stühlen vor einer Wand, auf der wir mittels Videoprojektion sehen, wie die beiden auf der Wilmersdorfer Straße laufen, einer Berliner Einkaufsstraße gleich um die Ecke von der Deutschen Oper. Dann dreht sich das Bühnenbild von Christian Schmidt, gibt den Blick frei auf ein modernes Wohnhaus, in dem Regisseur Claus Guth sie und ihn aufeinandertreffen lässt, hier fällt auch das Honigglas zu Boden. Paare und Familien beziehen zunächst leerstehende Wohnungen und machen dort rätse lhafte Dinge. Chaya Czernowins Musik summt und brummt dazu, zirpt, knirscht und rauscht.
Das Orchester der Deutschen Oper Berlin hat im Graben erstaunlich wenig zu tun, unterstützt wird es vom Ensemble Nikel seitlich neben der Bühne, von einem Vokalensemble in den Seitenlogen des ersten Rangs und vom SWR Experimentalstudio, das die elektronischen Klänge beisteuert. Das Zusammenspiel unter dem Dirigenten Johannes Kalitzke ist in der Tat beeindruckend, mitunter wirkt das, als entstünden die Klänge im eigenen Kopf. Patrizia Ciofi und Dietrich Henschel singen, sprechen, flüstern und rufen ihre ziemlich banalen Alltagstexte virtuos, ihre immer anwesenden inneren Stimmen, gesungen von Noa Frenkel und Terry Wey ergänzen und variieren den Prozess der Annäherung der beiden.
Musikalische Leitung: Johannes Kalitzke
Inszenierung: Claus Guth
Mehr Informationen auf der Homepage der Deutschen Oper Berlin
Sendung: "Piazza" am 16. November 2019 ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK