Rasend vor Eifersucht erwürgt Otello seine geliebte Desdemona. So dramatisch endet Verdis vorletzte Oper. Jetzt feierte "Otello" in Augsburg Premiere - wegen der Sanierung des Theaters in der Kongresshalle. Entsprechend schlicht war auch das Bühnenbild.
Grau ist die dominierende Farbe des Abends: Grau sind die Betonwände im Saal, grau ist die schiefe Ebene aus Betonplatten auf der Bühne, grau sind fast alle Matratzen, die darauf liegen, grau ist der Hintergrund, ein Tuch, das absichtlich dilettantisch schief vor die Orgel an der Bühnenhinterwand gehängt wurde. Keine Frage: Das Provisorium, nämlich die Ersatzspielstätte, soll nicht schöngefärbt werden. Dass im ersten Bild die Chorsänger auf 36 Matratzen in drei Reihen auf dieser schiefen Betonplatte liegen, weckt die Assoziation: Flüchtlingslager. Eine schnell gewobene, in der weiteren Inszenierung nicht konstant aufrecht erhaltene Verknüpfung zum Heute.
Emotional wuchtig hingegen, gefühlsgetrieben, lustvoll im Lieben und im Leiden: Zurab Zurabishvili als Otello - übrigens nicht schwarz gemalt, nur schwarz gekleidet. Der Tenor hatte am Augsburger Theater sein erstes Engagement, das Ensemble dann 2006 verlassen - und kehrt nun fulminant zurück. Mit ihm mitzufühlen ist auch in all dem kühlen Grau ein Leichtes, auf seine energiegeladenen Höhen freut man sich ebenso wie auf sein intensives Spiel. Besonders ergreifend: seine Duette mit Sally du Rant als Desdemona. Die Sopranistin muss sich an diesem Premierenabend erst warmlaufen. Doch nach der Pause zieht auch sie das Publikum in ihren Bann und zeigt die ganze Vielfalt ihrer Stimme: von kräftig-dramatisch bis fein gehaucht auch in hohen Lagen. Am Ende ihres Gebets im vierten Akt, kurz vor ihrer Ermordung, hält man den Atem an, so verzweifelt und zerbrechlich klingt ihr Gesang.
Aber nicht nur der: Denn auch die Augsburger Philharmoniker unter Domonkos Héja spielen enorm ausdifferenziert. Ohne Graben, sondern ebenerdig auf Höhe der Zuhörer im Parkett, gewinnt das Orchester automatisch an Präsenz, schafft es aber, sich klanglich nie unpassend in den Vordergrund zu drängen. Stattdessen bringen die Musiker viele verschiedene Farben in das Grau: feine und leuchtende, knallige und flirrende, satte und schrille. "Untermalung" ist das nicht, sondern eine selbständige Leistung: Das Orchester agiert als als ebenbürtiger Partner der Sänger.
Arthur Schopenhauer schrieb: "Architektur ist gefrorene Musik." Im Fall der Augsburger "Otello"-Premiere in der dortigen Kongresshalle bleibt am Ende der Eindruck: Würde man Verdis Musik in diesen Aggregatszustand versetzen, dann käme mit Sicherheit etwas Abwechslungsreicheres und Kunstvolleres heraus als diese nüchternen, zweckdienlichen Betonplatten in Grau.
Giuseppe Verdis "Otello"
Theater Augsburg, Kongress am Park
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Sonntag, 19. März 2017, 19:00 Uhr
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