Im letzten Jahr war es geradezu sensationell, dass die Salzburger Festspiele nicht nur stattfanden, sondern auch szenische Opern zeigten. Mozarts "Così fan tutte" wegen Corona in einer geschickt gekürzten Fassung ohne Pause. Regie führte Christof Loy, am Pult der Wiener Philharmoniker stand damals erstmals bei einer Salzburger Premiere eine Frau: Nämlich Joana Mallwitz, die sonst Generalmusikdirektorin in Nürnberg ist. Nach der umstrittenen Don-Giovanni-Premiere gab es nun gestern Abend mit der Wiederaufnahme der Così-Produktion des letzten Jahres die zweite Mozart-Oper in Salzburg.
Kurz nach dem aktuellen Salzburger Don Giovanni wirkt diese "Così fan tutte" wie der größtmögliche Gegensatz, wie eine smarte Alternative: Seht her, so einfach kann’s auch gehen. Während Regisseur Romeo Castellucci in seinem "Don Giovanni" eine ebenso überwältigende wie ermüdende Materialschlacht entfesselt hat, reduziert Christof Loy in seiner Così-Inszenierung den Aufwand auf ein Minimum. Seht her, scheint Loy zu sagen, so wenig braucht man für einen geglückten Opernabend: eine weiße Wand, zwei Türen, drei oder vier Requisiten, schwarze Abendkleidung, ein paar bunte Klamotten zum Verkleiden und sechs lebendige, leidende, liebende Menschen. Menschen, die immer einen oder eine zu viel lieben und deshalb voller Unruhe sind, in ständiger Bewegung, sich anziehend und abstoßend.
Loy schafft eine berührende Intimität zwischen den Figuren. Es sind zeitgenössische Menschen, ihre Körpersprache ist die von Leuten auf der Straße. Dorabella und Fiordiligi sind beste Freundinnen und zelebrieren das, Ferrando und Guglielmo nette Kumpels von nebenan, Don Alphonso ein agiler älterer Typ, der das erotische Spiel nicht lassen kann, auch wenn für ihn selbst dabei nichts mehr zu gewinnen ist. Außer einer fiesen Wette, die alle durcheinanderbringt, bis keiner mehr weiß, wer wirklich liebt und wer nur spielt. Regisseur Christof Loy tut klugerweise nicht so, als sei das alles realistisch. Die Personenführung hält geschickt die Balance zwischen Psychologie, Komödie und eher abstrakten Bewegungsmustern. Und bleibt, auch wenn die Kostüme aus der Gegenwart kommen, ganz nah beim Text. Loy hat keine These und will nichts beweisen, niemanden entlarven oder bloßstellen – einfach nur Menschen zeigen, die interagieren, angetrieben von überirdisch schöner Musik und einer unterirdisch bösen Geschichte, die komplett künstlich und doch lebensnah ist. Das ist charmant, bescheiden und unspektakulär gut.
Die übrigen Sängerinnen und Sänger sind alle ganz nah dran an diesem Niveau. Marianne Crebassa als Dorabella hat einen reizvoll dunkel timbrierten, farbigen Mezzo. Bogdan Volkov als Ferrando einen etwas metallischen, sicher geführten Tenor, der in der Leidenschaft noch mehr überzeugt als in der Lyrik. Exzellent auch Andrè Schuen als Guglielmo mit sattem, perfekt sitzendem Bariton. Johannes Martin Kränzle ist schauspielerisch der beste, ein nervöser Strippenzieher, dem mit Lea Desandre als Despina eine angenehm leichte Stimme zur Seite steht.
Das alles wird musikalisch auf den Punkt gebracht von Joana Mallwitz. Ihr Mozart ist lebendig, gut phrasiert, hat Puls und Atem. Auch sie will nichts beweisen oder gegen den Strich bürsten. Mit Natürlichkeit, Temperament und Präzision inspiriert sie die luxuriös klingenden Wiener Philharmoniker, von denen man sich nur wünschen würde, dass sie ihren Wohlfühlmozart etwas schlanker und konturierter spielen. Mehr braucht es nicht für einen geglückten Opernabend. Und wenn das einfache das schwerste ist, wie es immer heißt, dann ist das an diesem Abend nicht zu spüren.
Sendung: "Piazza" am 7. August 2021 ab 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK