Am Nürnberger Staatstheater ist Wozzeck kein Soldat. Regisseur Georg Schmiedleitner verlegt die Handlung in die Jetzt-Zeit. Wozzeck agiert als Durchschnittsbürger, der von der Gesellschaft in den Amoklauf getrieben wird.
Das Gute kommt ja sprichwörtlich von oben. Hier ist es gleich das Glück. Riesengroß, in meterhohen Lettern füllt es rotglitzernd den gesamten Bühnenhintergrund aus. Zweifel an der triefenden Ironie in Bezug auf das bittere Schicksal des Titelhelden Wozzeck kommen erst auf, als an dieser Stelle später, nach dem Mord an Marie, ein monströser Röntgen-Schädel ganz ungebrochen Schrecken verbreiten soll. Oder die ersten dunklen Wolken, die auf die Untat vorausweisen, am Bühnenhorizont auch ganz real aufziehen. Das ist dann schon ein bisschen zu offensichtlich.
Georg Schmiedleitner verlegt die Handlung in die Jetzt-Zeit, Wozzeck ist kein Soldat mehr, sondern ein ganz normaler Durchschnittsmensch von heute. Der Tambourmajor, der Marie den Kopf verdreht, zieht nicht am Fenster vorbei, sondern flimmert auf dem Smartphone, während Marie und ihre Freundinnen eine Prosecco-Party feiern. Langeweile kommt nicht so schnell auf, die aktive Personenregie bietet viel fürs Auge und auch das Bühnenbild mit drei beweglichen, offenen Räumen, schafft eine ebenso abstrakte wie wandelbare Szenerie.
Your browser doesn’t support HTML5 audio
Die Chance, dieses so grandios gezeichnete Psychogramm eines zum Mord Getriebenen auf die vielen Amokläufe unserer Zeit zu beziehen, lässt Schmiedleitner sich aber entgehen. Wozzeck mordet still. Dafür ist der Moment sehr stark, als Marie wieder lebendig wird, gerade wenn Wozzeck eigentlich sterben sollte. Sind beide im Tode vereint? Oder doch alles bloß ein Traum? Das eröffnet einen wohltuenden Interpretationsspielraum.
Stimmlich ist Jochen Kupfer als Wozzeck unangefochten der Star, das Ensemble liefert aber auch insgesamt eine überzeugende Leistung ab. Manchmal hätte man sich gewünscht, das starke deklamatorische Element in Alban Bergs Gesangslinien wäre noch stärker herausgearbeitet worden. Was dann auch besser zu der sehr guten darstellerischen Präsenz der Sängerinnen und Sänger passen würde. Mit breitem Pinsel spielt das Orchester die dramatischen Bögen zwar bestens aus. Die feinen Details und der bei Alban Berg stets latente lyrische Grundton bleiben dagegen auf der Strecke. Alles in allem ein gelungener und unterhaltsamer Abend mit leichten Schwächen.
Alban Berg: "Wozzeck"
Oper in drei Akten
Staatstheater Nürnberg
Weitere Termine:
Dienstag, 21. Februar 2017, 19:30 Uhr
Donnerstag, 02. März 2017, 19:30 Uhr
Montag, 06. März 2017, 19:30 Uhr
Mittwoch, 29. März 2017, 19:30 Uhr
Sonntag, 02. April 2017, 19:00 Uhr