Musikunterricht an Schulen ist meist eine Randerscheinung. Was tut Bayern für die musikalische Bildung seiner Schülerinnen und Schüler? Zum Thementag "Herausforderung Schule" hat Sylvia Schreiber mit dem Bayerischen Staatsminister für Unterricht und Kultus Bernd Sibler darüber gesprochen.
BR-KLASSIK: Der Kunst- und Musikunterricht wird in Bayern manchmal ein bisschen stiefmütterlich behandelt. Jetzt haben Sie die Gelegenheit, Änderungen einzuführen. Was wollen Sie ändern?
Bernd Sibler: Zunächst haben wir die gute Situation, dass in Bayern in praktisch allen Jahrgangsstufen und in allen Bereichen Musik und Kunst Pflichtunterricht sind. Da sind wir deutlich weiter als die meisten anderen Bundesländer. In den letzten Jahren haben wir auch bei der Kooperation mit kommunalen Musikschulen sehr viel tun können, um auch in Grundschulen, in Mittelschulen und in Realschulen, bei denen die räumliche Nähe gegeben war, viel miteinander arbeiten zu können. Gerade in den Grundschulen kann ich mir vorstellen, dass die Musik als einfließendes Element eine immer größere Rolle spielt. Denn man spürt, dass auch in pädagogischen schwierigen Situationen das Miteinander singen und musizieren hilft, Konflikte mit aufzubrechen oder einfach eine Situation zu entspannen. Ich denke, da sind wir sehr, sehr gut unterwegs und können hier auch wirklich auf eine gute Bilanz zeigen.
BR-KLASSIK: Sie haben das Singen angesprochen. Warum beginnt man nicht einfach jede Schulstunde, jeden Schultag mit einem Lied? Wir haben ja jetzt die Kreuze - das ist ja auch etwas, was uns sozusagen auferlegt wird. Aber wenn wir einfach nur den Notenschlüssel aufhängen, bringt uns das ja auch noch nichts. Jeder hat seine Stimme dabei - wäre das nicht eine Innovation, um die Klassengemeinschaft gleich zu Beginn des Tages zu stärken?
BR-KLASSIK: Im Moment werden unglaublich viele Grundschullehrer benötigt. Wie kann man es attraktiver und schneller gestalten, damit dieser Lehrermangel behoben wird?
Bernd Sibler: Wir haben im Bereich der musikalischen Förderung sehr, sehr viel auf den Weg gebracht. Das hängt natürlich immer auch ein Stück von der einzelnen Schule ab und mit welchem Schwerpunkt man unterwegs ist. Ich darf auf die starken und tollen musischen Gymnasien verweisen, die wir in Bayern haben. Wir haben hier in den letzten Jahren immer auch eine sehr gute Lehrerversorgung gehabt. Wir haben hier faktisch keinen Lehrermangel, weil die Bedarfe gedeckt sind.
BR-KLASSIK: Aber das Gymnasium hat eine Stunde Musikunterricht, das Fach Musik ist doch unterrepräsentiert im Vergleich zu Physik oder selbst im Vergleich zu den zwei Wochenstunden Religion.
Bernd Sibler: Der Bedarf ist jetzt gedeckt, wie er in der Stundentafel abgebildet ist. Die neue Stundentafel des Gymnasiums ist in einem breiten Dialog-Verfahren zwischen allen an Schulen beteiligten Gruppen entstanden. Hier gibt es einen demokratischen Konsens, dass wir diese Stundentafel so mit auf den Weg bringen. Es ist richtig, dass im Bereich des Pflichtunterrichts das Fach Musik oftmals nur einstündig vertreten ist. Wir haben aber im Bereich der Wahlfächer und der Strukturen sehr, sehr viel auf den Weg gebracht. Gerade das musische Gymnasium in Bayern ist natürlich eine echte Vorzeige-Einrichtung. Ich möchte auch auf "Jugend musiziert" hinweisen, hier haben wir in den letzten Jahren zum Teil stark steigende Teilnehmerzahlen gehabt. Natürlich kann es immer noch besser werden, aber wir sind im Vergleich zu den 15 anderen Bundesländern gut aufgestellt.
BR-KLASSIK: Gerade in Bayern wird immer über Leitkultur und kulturelles Erbe diskutiert. Mit der Musik hat man ja eine unglaubliche Möglichkeit, auf das kulturelle Erbe zu pochen. Letztlich ist es der Ast, auf dem wir sitzen. Wenn wir den dann absägen, indem wir die Stunden reduzieren, dann würden wir eigentlich alles, was hier proklamiert wird, sozusagen in die Tonne treten.
Bernd Sibler: Auch beim Thema Dialekt kann man natürlich mit Musik sehr viele Dinge mit unterstreichen. Volkslieder transportieren auch bestimmte Haltungen, bestimmte kulturelle Einstellungen. Auch da ist ein unglaublicher Transfer hin zu Werten und Haltungen gegeben, das möchte ich dick unterstreichen. Genauso, wie es selbstverständlich ist, dass in der dritten Klasse auch die Nationalhymne und das Bayernlied gesungen und gelernt werden.
BR-KLASSIK: Es gibt viele Grundschulen, die haben 50 Prozent Migrationshintergrund in der Klasse. Miteinander deutsche Lieder zu singen, kann da ja auch zur Integration beitragen.
Bernd Sibler: Wir werden auch eigene Deutschlernklassen auf den Weg bringen, bei denen Werteerziehung ein Bestandteil ist. Da können auch Lieder eine entsprechende Rolle mit spielen.
BR-KLASSIK: Was sind denn für Sie deutsche Werte?
Bernd Sibler: Wir haben es im Integrationsgesetz ziemlich klar gefasst: Gleichberechtigung von Mann und Frau, Toleranz zueinander, Zugewandtheit. Natürlich kommen da noch ein paar Tugenden mit dazu: die berühmte Pünktlichkeit und solche Dinge spielen auch eine Rolle. Eben auch exaktes Arbeiten und Anstrengungsbereitschaft. Das sind Dinge, die man nicht nur Menschen mit Migrationshintergrund vermitteln muss. Die muss man auch für hier in Deutschland geborene Menschen immer wieder formulieren. Das ist heute nicht mehr so selbstverständlich, wie es vielleicht vor Jahren und Jahrzehnten üblich war.
BR-KLASSIK: Wann haben Sie denn das letzte Mal gesungen und was?
Bernd Sibler: Zuletzt am Sonntag: die Kirchenlieder im Gottesdienst. Da bin ich immer gerne mit dabei - nicht immer zur Freude der vor mir stehenden Christen.
Sendung: "Leporello" am 27. Juni 2018 ab 16.05 Uhr in BR-KLASSIK
Link: BR-Thementag "Herausforderung Schule"