Mit der Premiere von "La Bohème" startete das Mainfranken Theater Würzburg am Samstag in die neue Spielzeit. Inszeniert wurde Puccinis Weihnachtsgeschichte ausgerechnet als Rückblick auf die "68er". Für das Wagnis der Regisseurin Martina Veh gab es großen Beifall.
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Geben wir es ruhig zu: Die vielen Rückblicke auf 1968 haben uns auf die Dauer ziemlich genervt. Fünfzig Jahre danach gab es ja massenhaft Lebenserinnerungen alt gewordener Kommunarden und dem Marsch durch die Institutionen. Und dann kommt die Starnbergerin Martina Veh daher, Jahrgang 1971, und inszeniert am Mainfranken Theater Würzburg Puccinis sentimentale Weihnachtsgeschichte "La Bohème" ausgerechnet als Rückblick auf die "68er".
Na klar, es geht mit freier Liebe in der Mansardenwohnung los, mit einem knallroten Pullover und Demo-Transparenten: "Jeder ist ein Künstler" oder auch "Wir sind Realisten und fordern das Unmögliche"! Das hätte alles furchtbar öde und vorhersehbar werden können, doch dank der klugen und fantasievollen Regie, der Ausstattung von Émelie Delanne, den Kostümen von Magali Gerberon und den Maskenbildnern um Wolfgang Weber wurde daraus ein herzergreifender Abend über gelebte Leben, verblichene Mythen, müde und alt gewordene Menschen. Über fünfzig Jahre zieht sich die Handlung hin, statt wie bei Puccini nur über wenige Monate.
Generalmusikdirektor Enrico Calesso ist ein echtes Theatertier, er hängt an den Lippen der Sänger statt an der Partitur. Das kann sich nur ein Dirigent leisten, der sein Orchester so gut kennt wie er. Als Italiener kostet er Puccini voll aus, gern auch mit geschlossenen Augen. Wunderbar! Die Solisten, die in zweieinhalb Stunden dank der flinken Maskenbildner fünfzig Jahre alterten, waren allesamt absolut glaubwürdig. Stimmlich begeisterte vor allem Akiho Tsujii als Musetta und Igor Tsarkov als Philosoph Colline. Silke Evers war eine völlig unkitischige Mimi, die so authentisch alterte wie Meryl Streep. Eine großartige schauspielerische Leistung, was auch für den mexikanischen Tenor Roberto Ortiz als Rodolfo zutrifft, der allerdings anfangs mit den hohen Tönen arg kämpfen musste. Der Würzburger Chor machte seine Sache einmal mehr sehr gut. Herrlich, wie individuell da jeder seinen Part spielte. Großer und verdienter Beifall eines begeisterten Publikums.
"La Bohème"
Oper von Giacomo Puccini
Mainfranken Theater Würzburg
Informationen zu Terminen und Vorverkauf finden Sie auf der Homepage des Theaters.
Sendung: "Allegro" am 15. Oktober 2018 ab 06:05 auf BR-KLASSIK