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Kritik - "La Fille de neige" in Paris Realität statt Feenwelt

Das Märchen vom Schneemädchen Snegurotschka kennt in Russland jedes Kind. Die Tochter von Väterchen Frost und der Frühlingsfee soll vor der Sonne verborgen im Schutz des Waldes leben. Doch Snegurotschka will die Liebe kennenlernen. An der Pariser Opéra Bastille hatte Nikolaij Rimskij-Korsakows Oper "La Fille de neige" jetzt Premiere. Eine Kritik von Franziska Stürz.

Premierenkritik: "La Fille de Neige" an der Bastille in Paris

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Was dabei herauskommt, wenn Winter und Frühling sich zusammentun, erleben wir gerade beim rasanten Wechselspiel der Temperaturen. Im Märchen von Snegurotschka zeugen Vater Frost und Madame Frühling ein entzückendes Wesen, das allerdings der Sonne nicht zu nahe kommen darf. Und doch wünscht sich dieses Schneekind etwas Wärme für sein Herz und die Freiheit, die Liebe kennenzulernen. Regisseur Dmitri Tcherniakov lässt Rimskij-Korsakows Märchenoper in einem Ballettsaal beginnen, wo die strenge Frühlingsfee dem Kinderchor in Vogelkostümen das Tanzen beibringt. Doch dann geht es in den russischen Wald. Märchenhaft realistisch ist er auf die Bühne der Bastille-Oper gebaut und wird bevölkert von einer Aussteiger-Kommune, die in bunten kleinen Datschen haust. Die Menschen tragen Blumenkränze und Folkloregewänder und essen am Campingtisch. Ihr Anführer ist ein künstlerisch ambitionierter Guru mit grauem Zopf und kein wirklicher Zar. Tcherniakov präsentiert die große Huldigung an Zar Berendey einfach als Männerchorprobe.

Russische Volksseele

Bildquelle: © Elisa Haberer / Opéra national de Paris Tcherniakovs Regie verbindet geschickt die Märchenwelt mit der Realität und kann auf Waldgeist und Feenwelt verzichten. In Rimskij-Korsakows Musik steckt ja auch genügen Zauber, den der Paris-Debütant Mikhail Tatarnikov am Dirigentenpult in süffigen Phrasen entfaltet. Ausgedehnte folkloristische Passagen lassen das Publikum tief in die russische Volksseele eintauchen. Außerdem betört Aida Garifullina als zerbrechlich-zarte Kindfrau Snegurotschka mit strahlend-schönen Soprantönen. Ihr Gesang zieht das Pariser Publikum wie auch die Waldmenschen auf der Bühne von Anfang bis Ende der über dreistündigen Oper in seinen Bann.

Narzisstischer Hirte und düsterer Brutalo

Bildquelle: © Elisa Haberer / Opéra national de Paris Snegurotschka ist fasziniert von Lel, einem ebenfalls sehr schön singenden Hirten. Die Altpartie wird in Paris erstmals vom Countertenor Yury Mynenko intensiv und überzeugend gestaltet. Tcherniakov hat ihm lange blonde Haare und eine narzisstische Persönlichkeit verpasst, weshalb ihn die kindliche Zuneigung des Schneemädchens nicht weiter interessiert. Anders ergeht es dem düsteren Mizgir, den Thomas Johannes Mayer samt handfester Schlägerei eindrucksvoll als Brutalo spielt. Beim ersten Anblick Snegurotschkas lässt er seine Verlobte Koupava einfach sitzen. Eine großartige Partie für Martina Serafin, die mit dramatischem Furor als zweite weibliche Hauptrolle in dieser Neuproduktion sängerisch hervorragt.

Spannende Opern-Entdeckung

Der Pariser Opernchor wie auch das große Solistenensemble agieren mit Lust und überzeugen mit viel Ausdruck. "La Fille de neige" ist eine spannende Opern-Entdeckung voller Frühlingsriten, Feuersprünge und Blumenschmuck - trotz Schneeflöckchens tragischem Liebestod. Ein russisches Opern-Osterfest an der Bastille.

Termine

Weiter Vorstellungen der Oper "La Fille de neige" von Nikolaij Rimskij-Korsakow sind am 20., 22., 25., 28. und 30. April sowie am 03. Mai an der Opéra Bastille in Paris.

Sendungsthema aus "Allegro" am 18. April 2017, 6.05 Uhr auf BR-KLASSIK