Albert Lortzing war ein Theatertier, Erfolgsgarant und Spaßmacher, an dem sich die Operettenwelt orientierte: Doch sind seine Werke heute noch aktuell genug? Das Gärtnerplatztheater versuchte es mit dem "Wildschütz". Regie führte Georg Schmiedleitner, Premiere war am 20. Januar. Die Inszenierung versuchte das ein wenig altbackene Stück zu psychologisieren - mit bestenfalls gemischtem Erfolg.
Da konnte ja eigentlich gar nichts schief gehen: Immerhin waren am "Wildschütz" die beiden erfolgreichsten Unterhaltungsprofis ihrer Zeit beteiligt: August von Kotzebue war um 1810 einer der meist gespielten Stückeschreiber - immer etwas schlüpfrig, bisweilen anzüglich, auch seicht, aber eben auch ganz nah am Publikum. Mindestens so populär war eine Generation später der Komponist Albert Lortzing, der König des Biedermeier, ein Vollblut-Komödiant, ein launiger Meister der Spieloper.
Der "Wildschütz" war folglich eine sichere Bank, als er 1842 herauskam - ein Operetten-Hit, der noch bis vor ein paar Jahrzehnten ausgesprochen beliebt war. Biedermeier hin oder her, Deutschland liebte es betulich, altbacken, harmlos. Dieser Humor tat keinem weh, und genau deshalb ist es inzwischen fast unmöglich, den "Wildschütz" noch angemessen auf die Bühne zu bringen. Das gilt selbst für das Münchener Gärtnerplatztheater, das gerade eine sensationelle 100-Tage-Bilanz nach der Wiedereröffnung veröffentlichen konnte und vom Publikum schier überrannt wird. Hier wird höchst professionelles Unterhaltungstheater gemacht, aber zählt der "Wildschütz" wirklich noch dazu?
Nun schießt der Dorfschullehrer Baculus im "Wildschütz" zwar einen Bock, der sich am Ende als Esel erweist, aber diese Geschichte so tiefenpsychologisch auszuloten wie den hochromantischen "Freischütz", das funktionierte einfach nicht. Sicher, das Biedermeier steckte im Triebstau und Lortzing war bei weitem nicht so einfältig wie sein Ruf, aber der heiter-bräsige "Wildschütz" brach unter dieser ehrgeizigen Interpretation zusammen.
Ausstatter Harald B. Thor hatte eine riesige Schützen-Scheibe mit röhrendem Hirsch entworfen, eine Scheibe, die so groß war, dass sie als schwankende Spielfläche diente, auf der die Personen nicht immer genug Halt fanden. Sinnbild natürlich auch dies - für sexuelle Unsicherheit, für riskantes Begehren und Rutschgefahr. Aber das war eher ermüdend als fesselnd, zumal die Handlung jenseits der optischen Anspielungen allenfalls klamaukig abschnurrte.
Sendung: "Allegro" am 22. Januar 2018 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Albert Lortzing:
"Der Wildschütz"
Spieloper
Gärtnerplatztheater München
Chor und Kinderchor des Staatstheaters am Gärtnerplatz
Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz
Leitung: Michael Brandstätter
Regie: Georg Schmiedleitner
Premiere: Samstag, 20. Januar 2018
Infos zu Terminen und Vorverkauf finden Sie auf der Homepage des Gärtnerplatztheaters.