Ganze vier Mal hat sich Gaetano Donizetti im Laufe seiner Karriere das englische Königshaus als Opernschauplatz ausgesucht. Und nachdem 1830 Friedrich Schillers "Maria Stuart" endlich ins Italienische übersetzt worden war, griff neben Rossini auch Donizetti zu. Jetzt hat sich das Landestheater Niederbayern des historischen Dramas angenommen. Die Neuproduktion der "Maria Stuarda" feierte am 9. November in Passau Premiere.
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Hinrichten oder leben lassen? Zehn Jahre hat Elisabeth diese Frage vor sich hergeschoben – und ist alt darüber geworden. Mit entgleisten Gesichtszügen und wie eine ferngesteuerte Puppe stakst Karina Skrzeszewska nach der Pause dieses beeindruckenden Opernabends über die Bühne, die sie im ersten Teil so königlich-erhaben abgeschritten hat. Und dann unterschreibt sie das Todesurteil für ihre Nichte Maria, die Königin von Schottland. Zu fürchterlich ist noch die Erinnerung an die Demütigung von damals, beim Treffen der Rivalinnen, als sie von Maria übel beschimpft wurde.
Schon bei Schiller ist diese Begegnung (die in Wirklichkeit nie stattgefunden hat) dankbares Virtuosinnenfutter für zwei Diven – und Donizetti setzt mit einem von unterschiedlichsten Gefühlen durchzogenen vielschichtigen Sextett noch eins drauf. Im Zentrum: die hochmütig-eiskalte Elisabeth und die erst mühsam beherrscht-unterwürfige und dann vor Zorn schier explodierende Maria. Die kurzfristig als Titelheldin eingesprungene Margareta Klobučar spielt im ersten Akt noch etwas zurückhaltend, gibt aber ihrer starken Gegenspielerin stimmlich souverän Kontra. Hier singt kein sanfter Engel, sondern eine Herrscherin mit dunkler Vergangenheit.
Regisseur Kobie van Rensburg versucht erst gar nicht, die Handlung aus der Zeit herauszulösen. Aber statt eines drögen Historienschinkens präsentiert er präzises, auch witziges Theater ohne Schnickschnack. Zu Beginn und nach der Pause lösen sich aus dem fabelhaften Chor fünf elisabethanisch gewandete Solisten, die uns mit kurzen Madrigalen von Thomas Morley und John Dowland musikalisch einstimmen. Auf Gazevorhänge projizierte Gebäudeteile (Schlosshof, Gefängnisgitter, Säulengang) geben den historischen Handlungsrahmen vor und zeigen auch mal die beiden Protagonistinnen in Großaufnahme.
Verzichten könnte man auf den durch eine Winterlandschaft zu seiner Maria reitenden Leicester (der tapfer gegen die weibliche Übermacht ansingende Victor Campos Leal) – das wirkt ein bisschen wie Kinderkarussell. Aber sonst schauen wir da auf duftig-leichte, blitzschnell sich verwandelnde Tablaux vivants mit faszinierender Tiefenwirkung. Lebende Gemälde, die nur eine Handvoll zusätzlicher Requisiten brauchen: zwei vom Schnürboden herabgesenkte Leuchter, Tisch, zwei Stühle, eine Gebetsbank für Maria im Schlussbild. Als die Schottenkönigin zum Schafott schreitet, verschwindet sie zu den letzten Takten der Musik hinter einem plötzlich lautlos herabfallenden bühnenbreiten blutroten Vorhang.
Das Orchester spielt vorzüglich. Gefühlsduselei ist nicht gefragt. Leicht, federnd, flott und unsentimental ist das Dirigat von Basil Coleman, der seinen Sängern nur hin und wieder zu enteilen droht.
"Maria Stuarda" - dieses Werk fehlt immer noch in den meisten Opernführern. Das Landestheater Niederbayern macht zwei spannende Geschichtsstunden aus diesem 'ernsten' Donizetti, der hier keine Note zuviel komponiert hat und vor allem seine fulminanten Passauer Königinnen mit betörend schönem Belcanto beschenkt.
Die nächstenVorstellungen in Passau: 23. und 24. November 2019
Premiere in Landshut: 15. November 2019
Premiere in Straubing: 14. Januar 2020
Weitere Informationen erhalten Sie auf der Homepage des Landestheaters Niederbayern.
Sendung: "Allegro" am 11. November 2019 um 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK