Es war diese glühende Intensität, die das Musizieren von Mariss Jansons so unverwechselbar machte. Sein Leben war von rigorosem Arbeitsethos geprägt, von unermüdlichem Partiturstudium und schonungsloser Selbstdisziplin. Vor einem Jahr – 1. Dezember 2019 – ist der langjährige Chefdirigent des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks im Alter von 76 Jahren verstorben.
In seiner Ära als Chefdirigent von Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks brillierte Jansons mit Musik von Joseph Haydn bis Wolfgang Rihm. Seine Musiker motivierte er zu Höchstleistungen. Immer war der skrupulöse Perfektionist Jansons auf der Suche nach der großen Linie, dem intensiven Ausdruck, dem idealen Klang. Gekrönt wurde dieses Lebenswerk 2013 mit dem Ernst-von-Siemens-Musikpreis.
Mariss Jansons stammte aus der lettischen Hauptstadt Riga, dort wurde er 1943 mitten im Krieg, unter der deutschen Besatzung geboren. Seine jüdische Mutter, eine Sängerin, musste ihn in einem Versteck zur Welt bringen, nachdem ihre Familie im Rigaer Ghetto ermordet worden war. Ungewöhnlich früh äußerte der kleine Mariss seinen Berufswunsch – mit drei Jahren. Da saß er nämlich schon im Opernhaus von Riga, wo sein Vater Arvīds Jansons Kapellmeister war. Ganze Tage verbrachte Mariss damals im Opernhaus, kannte alle Ballette und Opern nahezu auswendig. Zu Hause funktionierte er das Hemd und die Jacke zu einem Frack um – und spielte Dirigent.
Bücher waren meine Partituren, ein Stück Holz mein Taktstock. Ich war total begeistert von diesem Beruf.
Höchstens seine Fußball-Leidenschaft wäre für Jansons eine Berufs-Alternative gewesen. 1956 zog die Familie nach Leningrad. Dort arbeitete Arvīds Jansons als Stellvertreter von Jewgenij Mrawinskij bei den Leningrader Philharmonikern, Mariss studierte derweil am Konservatorium. Herbert von Karajan wird sein Mentor – und setzte sich dafür ein, dass Jansons nach Österreich reisen darf, um sich bei ihm in Salzburg und bei Hans Swarowsky in Wien weiterzubilden. 1973 wieder in Leningrad, wurde Jansons wie sein Vater Assistent von Jewgenij Mrawinskij, dem strengen Orchestererzieher. Mrawinskij war Lehrer und enger Freund von Schostakowitsch. Und so kam es, dass Jansons selbst zu einer Schostakowitsch-Autorität wurde. Seine Referenzaufnahme der 15 Symphonien ist ein bleibendes Vermächtnis.
Mit meinem Orchester, dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, kann ich wirklich auf einem sehr hohen musikalischen Niveau arbeiten.
Den preisgekrönten Zyklus nahm Jansons mit acht Spitzenorchestern aus der ganzen Welt auf, darunter das Pittsburgh Symphony Orchestra und die Osloer Philharmoniker – bei beiden Orchestern war Jansons während seiner Pult-Karriere Chefdririgent. Mit seiner 20-jährigen Aufbauarbeit in Oslo wuchs auch der Ruhm von Jansons. Sechs Symphonien seiner Schostakowitsch-Edition spielte er mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks ein, dessen Chefdirigent er von 2003 bis zu seinem Tod 2019 war. 2004 kam noch des Amsterdamer Concertgebouw Orchester dazu. Ab 2015 widmete er sich dann ausschließlich dem BRSO. Und kämpfte in München unermüdlich für einen neuen, akustisch idealen Konzertsaal, in dem die Qualitäten seiner Musiker endlich angemessen zur Geltung kommen sollten.
Die Musik war sein Lebenselixier: Mariss Jansons war ein Ausdrucksmusiker par excellence. Der Glaube an die Kraft der Musik half ihm über alle gesundheitlichen Krisen hinweg. Vielleicht war ihm deshalb die zerrissene Welt Gustav Mahlers so nahe. In seinen Mahler-Interpretationen jedenfalls ging es um Leben und Tod.