Sängerin wollte sie nie werden. Sie wurde aber eine und was für eine: Die slowenische Mezzosopranistin gehörte zu den prägenden Künstlerpersönlichkeiten der Bayerischen Staatsoper. Eine Vielseitige, die vor allem im Wagner-Fach überzeugte. Heute lebt Lipovšek in Salzburg. Dort feiert sie am 3. Dezember ihren 75. Geburtstag.
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Was macht man als Kind eines Komponisten und Pianisten? Man sitzt daheim im Wohnzimmer unter dem Flügel und hört zu – auch wenn man nicht alles gut findet, was über einem passiert.
Sänger mochte ich überhaupt nicht!
"Mein Vater hat immer Proben gehabt zuhause mit Sängern, die ich gehasst habe", erzählt Marjana Lipovšek. "Sänger mochte ich überhaupt nicht. Weil sie mir auf die Nerven gegangen sind mit ihrem Geschrei. Bei mir war kein Traum nach der Oper, nach Gesang. Null. Aber die Geiger, ach, die habe ich gern gehabt – und alle anderen Instrumentalisten. Erst später kam der Gesang."
Marjana Lipovšek will ursprünglich Pianistin werden, aber dazu habe ihr, meint sie, das Sitzfleisch gefehlt. Die warme Wiener Diktion, in der Marjana Lipovšek über ihr Leben erzählt, hat sie von ihrer Mutter. Die scheucht ihr Kind aus dem slowenischen Ljubljana und der familiären Geborgenheit ins Ausland, nach Graz – aber nicht unbedingt aus musikalischen Gründen: "Meine Mutter wollte, dass ich mich von einem Freund trenne, der, wie sie meinte, nicht gut war für mich", sagt Lipovšek. "Und sie hatte Recht. Wie immer. Die Mütter haben immer Recht."
Nach ihrem Abschluss in Graz, wo sie ihre erste Brangäne in Wagners "Tristan" singt, findet sie sich an der Wiener Staatsoper wieder – und wird mit kleinen und kleinsten Rollen abgespeist. Erst später wird sie dort große Erfolge feiern. Christoph von Dohnanyi holt sie nach Hamburg. Sie mag zwar die Stadt, doch an der dortigen Staatsoper wird sie nicht heimisch: "Ich war drei Jahre dort und dann hat’s mir gereicht. Und dann bin ich zum Sawallisch, den ich verzweifelt angerufen hab’. Ich hab‘ gesagt: Ich halt’s nimmer aus!"
Wolfgang Sawallisch macht ihr anfangs fast Angst. Er fordert sie, weil er spürt, was sie drauf hat – und stärkt ihr Selbstvertrauen. Das wird sie ihm nie vergessen: "Wie ich meine ersten hohen Töne gesungen hab' … was war das? Keine Ahnung … Ich bin zur Klavierprobe gegangen und wollte den hohen Ton eine Oktave tiefer singen. Da hat er abgebrochen und gesagt. Also jetzt stellen Sie sich hin und singen Sie! Und dann bin ich aufgestanden und hab’s gesungen."
1987 fährt sie ihren größten Triumph ein: als Fricka in der Neuinszenierung von Wagners "Ring" an der Bayerischen Staatsoper. Eine majestätische Erscheinung in einem atemberaubend schönen Kleid, mit üppig und warm strömendem, in keiner Sekunde keifendem Mezzo. Eine auch schauspielerisch packende Studie einer Göttin. Und man versteht jedes Wort. Eine sensationelle Performance. "Das hat gepasst von der Inszenierung und vom Kostüm … mit all den Gesten … das war einfach perfekt. Ein Glücksgefühl sondergleichen."
Sendung: "Allegro" am 3. Dezember ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK. Außerdem ist Marjana Lipovšek am 4. Dezember ab 11:05 Uhr zu Gast bei Michael Atzinger in "Meine Musik".