Am Donnerstag gab der bayerische Ministerpräsident Markus Söder erste Schritte zur Lockerung der Corona-Maßnahmen bekannt. Über alles wurde gesprochen: Schule, Kinderbetreuung, Geschäfte, Fußball, ja sogar Fußpflege – nur nicht über die Kultur. Das ist enttäuschend.
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Ja, es leuchtet ein: Es wäre fahrlässig, zu früh wieder zum normalen Leben zurückzukehren. Die Rettung von Menschenleben geht vor – vor kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen und auch vor dem Bedürfnis nach Unterhaltung, Begegnung und Kultur. Alles andere wäre verantwortungslos. So traurig das ist – gerade für das, was Klassikfans ganz besonders lieben: live gemachte Musik. Aber: Nicht nur Künstler und Veranstalter, sondern alle, die Musik und Theater für etwas anderes halten als bloßes Gedöns, haben gestern dringend auf ein erklärendes Wort der Politik gewartet. Wenigstens auf ein Signal der Aufmerksamkeit, des Problembewusstseins. Wie geht es weiter?
Großveranstaltungen, heißt es abstrakt, sind abgesagt bis Ende August. Was bedeutet das? Was bedeutet das für die Kultur? Wann ist eine Veranstaltung groß? Das, sagt der Bund, müssen die Bundesländer entscheiden. Alles ist relativ. In Schleswig-Holstein verkündet Ministerpräsident Günther einigermaßen vage: Groß ist alles ab 1.000 Teilnehmern. Trotzdem: Auch auf kleinere Veranstaltungen werde man erst mal warten müssen. Immerhin: eine Hausnummer.
Klar, so vieles ist derzeit unsicher und wird es bleiben. Die Experten betonen ja immer wieder, wie begrenzt ihr Wissen ist. Und es ist wichtig, das transparent zu machen. Die Politik muss trotzdem entscheiden. Das ist schwierig, das fordert Mut und Verantwortung. Und der Bevölkerung fordert es Geduld ab. Mit Recht. Aber dass Ministerpräsident Söder einfach einen Lebensbereich mit Schweigen übergeht, der mit am härtesten von den notwendigen Maßnahmen gegen das Virus betroffen ist, ist enttäuschend und unverständlich.
Wenn er noch nichts sagen kann, wenn Regeln erst erarbeitet werden, hätte er das wenigstens sagen müssen. Nicht nur viele Kulturschaffende, unsere gesamte Kulturlandschaft ist existenziell bedroht. Es geht ja nicht bloß um die großen, staatlich finanzierten Institutionen. Die werden überleben. Es geht um kleine Veranstalter, freie Musiker. Es geht um Initiative, Idealismus, Engagement – bis hin zur Selbstausbeutung. Auf dem Spiel steht etwas unglaublich Kostbares, womöglich Unwiederbringliches.
"Bayern ist ein Kulturstaat", heißt es in Artikel 3 der bayerischen Verfassung. Das bedeutet: Kultur ist nicht "Kann man machen", sondern "Muss man machen". Sie gibt uns erst unsere Identität. Ohne Kultur ist Bayern kein Staat. Gestern hatte man den Eindruck: Für Söder ist Kultur nicht der Rede wert. Die Staatsregierung muss schnell nacharbeiten – reden, erklären, Perspektiven aufzeigen. Sie muss klarmachen: Kultur ist essentiell.
In der Pressekonferenz am Montagvormittag sicherte Ministerpräsident Markus Söder nun Unterstützung für Künstler zu. Die Staatsregierung will laut Söder die Kunstszene und die Künstler nicht allein lassen. Bayern sei ein Kulturstaat. Deswegen orientiere sich Bayern an Baden-Württemberg und werde Künstlern die nächsten drei Monate 1.000 Euro monatlich zahlen.
Sendung: "Leporello" am 17. April 2020 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK